Freeride-Camp am Arlberg

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südi
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Freeride-Camp am Arlberg

Beitrag von südi » 28.02.2008 03:03

Das hier ist zwar ein Carving-Forum, nachdem mich jedoch einige gebeten haben, über meine Erfahrungen im Freeride-Camp zu berichten, versuche ich mich mal als Blogger. Erspart mir auch ein paar Mails :D .

Bisher hat sich bei mir das Geländefahren immer in Sichtbereich von Pisten abgespielt. Allerdings habe ich da - vernünftige Schneeverhältnisse vorausgesetzt - immer jede Gelegenheit genutzt, mich im unpräparierten Terrain auszutoben. Jetzt wollte ich diese Sache einfach mal etwas professioneller angehen. Nach den drei positiven Erfahrungen in den letzten Carving-Camps hatte ich Lust auch mal ein Freeride-Camp zu belegen.

Ich entschied mich für ein Angebot von Team3reisen. Fünf Tage Freeridecamp am Arlberg (für mich in knapp 4 Stunden zu erreichen) mit Sicherheitsausrüstung, Freerideskiern und Guide für 229,- € fand ich ein gutes Angebot.

Weniger gut war das Timing meiner Buchung. Bereits zwei Wochen ohne Neuschnee und auch die Buchungswoche sah nach Frühlingswetter ohne Niederschlag aus. Von daher reiste ich mit gemischten Gefühlen nach Wald a. Arlberg. Im Gasthof Spullersee waren die Team3Leute untergebracht. Als ich Samstag abends ankam, war gerade Aufbruchstimmung für die Rückreisenden. Also erst mal gemütlich einchecken und dann mal schauen, welche Leute dann noch da sind.

Beim Abendessen lerne ich dann die ersten Leute kennen. Zufälligerweise sitzen die einzigen zwei Leute, die das Freeridecamp außer mir gebucht haben an meinem Tisch: Christine, die bereits zwei Freeridecamps hinter sich hat und Andrea, die sich sowas ebenfalls zum erstenmal antut. Christine, die alles zu wissen scheint, weiß, dass wir insgesamt zu fünft sein werden. Zwei kommen wohl von anderen Veranstaltern. Die beiden Damen sind bereits den Tag über auf der Piste unterwegs gewesen und haben bereits ihre Freerideski übernommen. Darum muss ich mich erst noch kümmern. Nach dem Abendessen schickt mich Lars, der Cheforganisator des Hauses mit meinen Skischuhen in die SkiBase, einer nur 100m entfernten urigen Skiwerkstatt. Andy, der Leiter der Werkstatt, richtet mir einen Freerideski. Die Auswahl ist sehr begrenzt. Aufgrund einer Kooperation mit Blizzard stehen nur Blizzardskier zur Verfügung und die meisten Ski sind bereits verliehen. Ich bekomme ein älteres Modell "Rodeo" in 1,80 m. Sie erinnern mich an breite Pommesski, jedenfalls kann man eine Taillierung bestenfalls erahnen. :-?

1. Tag
Sonntag morgen geht es mit dem Bus nach Stuben. In Stuben ist das Büro von Harry, einem professionellen Freerideanbieter, der für die Organisation des Freeridecamps zuständig ist. Bei ihm bekommen wir die LVS-Geräte (Ortovox) und Schaufeln. Harry wird uns erst ab dem dritten Tag führen, da er bereits belegt ist. In den ersten zwei Tagen führt uns Arnold, ein sympathischer Skilehrer und Bergführer um die 60 aus dem Montafon. Harry bedauert, dass die Schneeverhältnisse nicht ideal sind zum freeriden. Inzwischen ist unser 4. Mann eingetroffen. Es ist Hermann, ein echter Steirer Bua, der vor kurzem seinen 50. Geburtstag hatte. Zu diesem Anlass hat ihm seine Familie einen Gutschein für ein Tag Helifreeriding geschenkt, den er diese Woche noch einlösen wird. Er sieht das Camp als Vorbereitung für dieses Highlight.

LVS umgehängt, Schaufel in Rucksack (nach ewigen Zeiten fahr ich mal wieder mit Rucksack :-? ) und ab gehts, die 150 m zum Lift. Wir fahren die Albonalifte ganz hoch. Oben checkt Arnold, ob unsere LVS funktionieren. Dann fahren wir die Piste runter zum Albonagratsessel. Wie ich befürchtet hatte, greift mein Ski zwar ganz gut auf der Kante, aber carven? Wahrscheinlich hat das Teil ein Radius von mindestens 30 m. Aber wir wollen ja ins Gelände. Trotzdem beneide ich Hermann um seinen Stöckli Stormrider, den er direkt bei Harry ausgeliehen hat. Hermann fährt wie es sich für einen Österreicher gehört: sportlich und sicher. Christine fährt auch sehr gut. Dagegen bin ich etwas erstaunt über die Fahrkünste von Andrea. Steif in den Knien, die Schwünge eine Mischung aus Umsteigen und starker Oberkörperrotation und das ganze sehr sehr langsam :o . Ob das im Gelände gut geht?

Wir fahren den Albonagrat hoch und gehen jetzt ins Gelände. Erst eine kleine Anhöhe hoch, warten bis alle zusammen sind, dann gehts los. Ein paar Schwünge, queren, wieder ein paar Schwünge, dann langes und schnelles queren in einen schönen breiten unverspurten Hang. Der Schnee ist bisher überraschend gut, gepresster Pulver. Der Hang ist sehr lang und ich komme in einen schönen Rhytmus. Am Hangfuss wird es flacher und da ist rum mit lustig, Harsch! :cry: Arnold zieht auf eine kleine Anhöhe hoch und wartet. Der Harsch hat mich dermaßen überrascht, dass es mich doch glatt zerbröselt hat :D . Den Ski wieder an und los geht´s. Andrea hat´s richtig zerlegt. Ich helfe ihr auf. Sie hat richtig Eis an ihren Schuhsohlen und wir brauchen eine Weile bis Sie wieder in der Bindung steht. Ein Blick hoch zum Hang zeigt unsere Spuren. Ich bin mit meiner sehr zufrieden.

Arnold meint, dass der Schnee im Wald noch unverpresst ist und führt uns dort hin. Der Schnee wechselt laufend zwischen gepresstem Pulver und Harsch. Wenn man darauf eingestellt ist, kein großes Problem. Arnold hatte Recht. Im Wald ist der Schnee noch sehr schön. Allerdings kommen wir nur sehr langsam vorwärts, da Andrea sich zwischen den Bäumen gar nicht wohl fühlt. Arnold hat ihr die Anweisung gegeben, ihm als erste direkt zu folgen. Tja, wenn das so leicht wäre... Ich fahre jetzt als letzter und lasse mich gern etwas zurückfallen, damit ich eine größere Strecke am Stück fahren kann und meinen Rhythmus finde. Zwei Schwünge und wieder Stopp ist einfach nicht mein Ding. Richtung Tal wird der Schnee feucht und schwer. Dazu ist es warm. Das ganze ist sehr schweißtreibend.
Unsere erste Abfahrt endet letztlich bei Langen direkt an der Passstrasse. Ab ins Taxi und wieder zum Lift nach Stuben. Auf der Fahrt hole ich meine Trinkflasche aus dem Rucksack. Ich bin froh, dass ich genug Wasser eingepackt habe.

Wir fahren wieder beide Sessel bis nach oben und gehen diesmal links weg sofort ins Gelände. Ein paar Schwünge runter, dann Speed aufnehmen, um auf der anderen Seite auf eine Anhöhe zu kommen. Speed reicht nicht, 20 m müssen noch hochgestapft werden, dann ist Sammelpunkt. Während wir auf Andrea warten, ist Zeit, die herrliche Aussicht zu geniessen. Wir haben Sonne pur und vor uns liegt jetzt ein Südhang, der gerade aufgefirnt ist. Arnold quert etwa 500 m, dann können wir abfahren. Optimales Timing, der Firn ist perfekt. Diesmal bleibt der Schnee bis ins Tal fast konstant, was das Fahren sehr erleichtert. Im Tal haben wir einen langen Ziehweg zu fahren, bis wir zu einer Hütte kommen. Ab da geht es wieder mit Taxi, diesmal nach St. Anton.

Wir fahren mit den Liften bis hoch zum Schindlerkar. Arnold steigt gleich in der Schindler Spitze ins Valfagehrjoch ein. Wir queren ewig bis in Höhe des Trittkopfes. Erst dort ist ihm der Schnee zum Abfahren gut genug. Und wirklich, hier lassen sich super Schwünge ziehen, schade dass der Hang nicht länger ist. Unsere Spuren waren an dieser Stelle die ganze Woche zu sehen. Wir fahren noch ein bischen parallel zur Piste Valfagehr im Gelände und dann ab Alpe Rauz auf der Piste nach Stuben. Der erste Freeridetag ist zu Ende.

Arnold fragt, ob wir Steigfelle für unsere Ski hätten. Wir müssen verneinen. Er meint, so wir welche organisieren könnten, würde er mit uns morgen eine richtige Skitour machen. Das Wetter wäre perfekt und er würde uns noch richtigen Powder aufspüren. Wir bekommen in der SkiBase Steigfelle und Tourenbindungen montiert. Allerdings kostet dieser Spass 60,- € Aufpreis.


2. Tag

Wir treffen uns mit Arnold wieder in Stuben. Heute sind wir zu fünft. Thorsten aus Berlin, ein Froschreisender, gesellt sich zu uns. Auch er ist mit Steigfellen ausgerüstet. Wir fahren alle drei Sessellifte zum Albonagrat, fahren ein Stück die Pisten ab und queren dann ins Gelände. Wir queren wieder sehr lange. Ich bedauere außerordentlich, dass wir hier nirgends abfahren, denn die Hänge und der Schnee wären perfekt gewesen.

Irgendwann heißt es Steigfelle aufziehen. Ich mache dies wie die meisten von uns zum erstenmal. Ich habe mir das aber am Abend zuvor von Andy aus der SkiBase genau erklären lassen. Es geht eigentlich sehr einfach und schnell. Die Ski sind trocken und so brauche ich gar nicht abtrocknen und kann gleich aufkleben. Die Klammern an den Enden sind hier sehr hilfreich. Dann die Tourenbindung lösen, Steigwinkel einstellen und reinsteigen. Wir laufen los, ich gehe auf Arnolds Anweisung als Letzter. Andrea ist vor mir. Sie verliert einen Ski und stürzt. Die Bindung war nicht richtig zu. Wieder zu viel Schnee/Eis an den Schuhsohlen. Ich versuche mit meinen Stöcken, die Sohle frei zu bekommen. Das dauert. Dann die Bindung klackt, alles OK. Ich bin bereits nass geschwitzt. Jetzt nimmt unsere Karawane ihren Lauf. Ich bin begeistert. Ich hätte nie geglaubt, dass man mit Steigfellen so easy den Berg hochlaufen kann. Lediglich an die Bindung muss ich mich noch gewöhnen, vor allem wenn Kehren zu laufen sind.

Anfangs im Flacheren folgten wir einer bereits vorhandenen Spur. Als es langsam steiler wird, zeigt sich Andreas Konditionsdefizit immer mehr. Wir fallen zurück. Arnold reagiert. Er holt mich nach vorne direkt hinter sich. Wir machen jetzt eine neue, flachere Spur. Ich helfe ihm, die Spur zu verdichten. Hinter mir sind Thorsten, Christine und Andrea. Hermann macht Schlussmann. Ich bin froh, dass wir einen Nordhang hochsteigen, der vollkommen im Schatten liegt. So herrscht eine angenehme Arbeitstemperatur :lol: . So kommen wir langsam, aber doch kontinuierlich vorwärts. Einmal muss Arnold zurück an den Schluss. Andrea ist in einer Kehre gestürzt. Um wieder aufzukommen, hat sie einen Ski abgeschnallt. Nicht einfach im Steilen auf Pulver wieder in die Bindung zu kommen... Vor dem letzten steilen Aufstieg machen wir eine kurze Pause. Der Berg liegt herlich vor uns. Immer noch im Schatten, der Schnee außer einer Spurrinne von anderen Tourengehern unberührt, wirkt er wie eine kühne Herausforderung. Nach oben wird er immer steiler um am Schluss in ein flaches Top auszulaufen. Dort oben ist unser Ziel.

Arnold stellt es uns jetzt frei, unser eigenes Tempo zu gehen. Er geht jetzt ganz an den Schluss zu Andrea. Hermann, dessen Kondition nach eigener Aussage auch nicht die beste ist, bleibt ebenfalls hinten. Thorsten ist bereits losgezogen. Ich folge ihm, nach mir Christine. Das erste Drittel geht noch ganz flott, aber dann macht sich die zunehmende Steilheit bemerkbar. Die Spitzkehren werden in diesem richtigen lockeren Pulverschnee zu einer echten Herausforderung. Vor allem dann, wenn man wie ich keine großen Teller an den Stöcken hat. Die Stöcke sinken bei Belastung bis zum Griff in den Schnee. Aber auch hier macht Übung den Meister. Irgendwann hat man den Dreh raus. Während der mittlere Teil des Berges noch Steigung so um die 30 Grad aufweist, zieht der untere Teil des oberen Drittel deutlich an. Der Berg macht hier eine Art Ausbeulung, was ihn kurzfristig in einem Bereich von etwa 20 Höhenmeter sehr steil werden lässt. Knapp unterhalb dieses Bereichs befindet sich die letzte Kehre. Dann steigt innerhalb dieser Ausbeulung die letzte Spur stramm Richtung Bergtop. Dieser Teil ist von der Steigung her echt kernig. Ich versuche mit den Stöcken die Steigung zu ermitteln und komme zu dem Schluss, dass es an dieser Stelle wohl um die 45 Grad hat. Um die 60 m weiter ist die Ausbeulung überwunden und es wird schon wieder deutlich flacher.

Thorsten ist inzwischen oben angekommen. Ein Blick nach unten zeigt mir, dass die letzten wahnsinnig weit nachhängen. Ich bin jetzt auf der Zielgeraden. Zu gerne würde ich den Berg abfahren. Es ist traumhafter Pulver. Oben ist ein kleines Plateau mit ein paar Felsen in der Mitte. Ein ideales Plätzchen für eine Pause. Ich geniesse den Ausblick auf die andere Seite. Herrliche, noch fast unberührte Tiefschneehänge, so weit das Auge reicht. Glückshormone werden ausgeschüttet :D .

Nach einer weiteren halben Stunde sind alle oben. Arnold bedenkt jeden von uns mit Handschlag und einem "Berg Heil". Für den Aufstieg werden normalerweise 1,5 Stunden gerechnet. Wir brauchten 2,25h. Aber das spielt jetzt keine Rolle. Wir sind alle glücklich und machen Fotos. Ich hatte leider keinen Apparat dabei, weshalb ich leider nur in prosa berichten kann. Dann verstauen wir die Felle und rüsten für die Abfahrt.

Der Schnee ist ein Traum. Durchgängig Pulver, lediglich wechselnd in der Pressung. Mit meinem Ski bin ich absolut nicht zufrieden. Viel zu viel Arbeit. Nur bei höherem Tempo ist er einigermaßen OK. Aber Arnold ermahnt mich, langsamer zu fahren :roll: . Hätt´ich jetzt doch nur meinen Swing :-? . Hang für Hang schwingen wir von einzelnen Querungen unterbrochen Richtung Tal. Ich hatte mich gerade gefragt, wo wir da wohl rauskommen, als alles stockt. Wir sind zu tief. Vor, unter und hinter uns steile felsige Abhänge. Nach einigem Beraten ist klar, wenn die Gruppe zusammenbleiben soll, müssen wir aufsteigen.

Mit äußerster Konzentration schnallen wir die Ski ab. Wir befinden uns nur wenige Meter oberhalb eines Abhanges in einem Steilstück. Ein Ski, Rucksack oder sonstiges, der jetzt keinen Halt hat, ist verloren. Ich stecke die Ski in den Schnee, stelle den Rucksack vor meine Beine und hole die Felle raus. Aufziehen, Tourenbindung aktivieren, Rucksack auf, Ski vorsichtig anschnallen, fertig. Arnold hilft Andrea und Christine beim Aufziehen der Felle und Anschnallen der Ski. Er ist jetzt äußerst konzentriert und gibt klare Kommandos. Als er sieht, dass ich fertig bin, schickt er mich los, die Spuren zu ziehen. Herman folgt mir. Wir sind in einem steilen Südhang mit schwerem Schnee. Uns wird sehr schnell richtig warm. Ich mache die Jacke und Beinschlitze auf und hänge den Helm an den Rucksack. Als alle in der Spur unterwegs sind, kommt Arnold nach vorne und übernimmt die Führung. Er geht jetzt mit einem enormem Tempo. Er muss jetzt schnell nach oben, um eine Route zu finden. Es ist schon nach 15.00 Uhr und wir haben noch einiges vor uns.

In einer Spitzkehre schaue ich zurück. Andrea kämpft jetzt unheimlich mit ihrer Kondition. Thorsten bildet jetzt den Schluss und hat ihr teilweise Gepäck abgenommen. Christine kämpft zwar auch, kommt aber ganz gut klar. Es ist jetzt wirklich anstrengend, kein Vergleich mit dem ersten Aufstieg. Nach 45 Minuten haben wir eine Position erreicht, von der wir abfahren können. Erstmal Pause. Gedankenverloren schnalle ich meinen Rucksack ab, um Wasser zu tanken. Dabei fällt der angeschnallte Helm zu Boden und nimmt sofort Fahrt auf. Arnold, der direkt neben mir steht hechtet ihm nach und hat ihn. Ich ärgere mich enorm über meine Dusseligkeit :evil: .

Arnold drängt zum Aufbruch. Wir haben jetzt 16:00 Uhr und mit unserer Gruppe wohl noch eine halbe Stunde Abfahrt. Arnold will jetzt bei Andrea bleiben. Er schickt mich zu einer Kuppe, um zu schauen, ob dort eine Abfahrt möglich ist. Ist möglich, allerdings im unteren Bereich sausteil. Er schickt die anderen zu mir und kommt mit Andrea nach. Wir bekommen das OK dort runter zu fahren. Eine Alternative hätten wir eh´nicht gehabt. Der Schnee ist auf dieser Nordseite wieder schön und es geht besser, als ich dachte. Allerdings merke ich jetzt auch, dass die Kräfte nachlassen. Unten kommt ein Flachstück, das wieder verharscht ist. Dort sammeln wir uns. Arnold übernimmt wieder die Führung. Es geht jetzt in den Wald. Leider alles verharscht und teilweise sehr eng. Und wieder verfluche ich diese Ski. An einer engen, etwas schwierigeren Stelle hat Andrea einen Blackout. Sie fühlt sich völlig überfordert und traut sich nicht, obwohl ich auf Anweisung von Arnold ihr einen Weg vorfahre. Sie schnallt die Ski ab, Thorsten und ich übernehmen jeweils einen und sie läuft die Passage. Ski wieder an, langsam wird es grau, und Arnold fordert alle auf, genau in seiner Spur zu fahren. Der Rest ist einfacheres Gelände, allerdings jetzt bockhart, weshalb es sehr angenehm ist in der Spur von Arnold zu fahren, da er als Eisbrecher fungiert.

Endlich sind wir auf einem Waldweg. Arnold zieht los, um ein Taxi zu organisieren. Wir schauen, dass wir die zwei Kilometer im Schlittschuhschritt hinter uns bringen. Wir hoffen, dass Andrea durchhält und lassen es gemütlich angehen. Irgendwann ist auch das geschafft, und wir sitzen KO, aber glücklich im Taxi nach Stuben. Wir verabschieden uns von Arnold in Harrys Büro. Harry meint, der Wetterbericht bringt vielleicht doch etwas Neuschnee und schlägt einen Tag Freeridepause vor, um dann die besseren Bedingungen nutzen zu können. Wir haben gegen einen Tag Pistenurlaub nichts einzuwenden und da Harry mit uns keine Touren gehen will, ist für mich klar, dass ich die nächsten drei Freeridetage mit meinem Swing bestreiten werde.


Puh, so ein Blog macht ganz schön Arbeit, Fortsetzung folgt... :o :D


Wendelin

Pistentag

Eigentlich wollte ich ja einen gemütlichen Pistentag verbringen und hatte dazu meinen Fischer Worlcup SC angeschnallt, um auf den durchaus vorhandenen harten Pistenstücken relaxt drübercarven zu können. Aber dann habe ich mit Christine Anschluss an eine sportlich fahrende Truppe von Team3reisen gefunden. Die wollten partout wo es ging ins Gelände. Und so kam es, dass ich wohl mindestens 70% Gelände und Buckelpisten gefahren bin. Waren aber auch wirklich herrliche Bedingungen. Andrea hatten wir klar gemacht, dass wir heute zügig unterwegs sein wollten und so ist sie bis Mittag alleine gefahren und hat anschließend Wellness gemacht. So konnten wir es wirklich krachen lassen.

Beim Après- Ski auf der Terrasse vom Hotel Post in Stuben trafen wir Hermann. Er hatte heute seinen Helitag und war nach eigener Aussage der glücklichste Mensch auf Erden. Zweimal war er mit Heli aufgestiegen und hatte besten Powder erlebt. Nur ein britischer Industrieller mit Tochter war noch dabei. Der Guide muss hervorragend gewesen sein.

Ich beschliesse, bei meiner Familie einzustreuen, dass ich so einem Geschenk auch nicht ganz abgeneigt wäre, es darf auch ruhig schon vor dem 50.ten sein... :D :D



3. Tag

Bewaffnet mit meinem Swing und meinen Stöcken, die jetzt breite Teller haben (Andy von der SkiBase hat mir über Nacht für 8,-€ breite Teller montiert) mache ich mich auf den Weg nach Stuben. Es ist wieder ein schöner Sonnentag. Harry hat sein Büro im Hotel Garni Arlberg. Ab heute ist der Chef himself unser Guide. Harry dürfte so kurz vor dem fuffziger stehen und erinnert mich äußerlich an einen Globetrotter. Er ist staatlich geprüfter Skilehrer und Bergführer und hat im Sommer sein Zuhause auf Mallorca. Dort unterrichtet er Wassersport. Seine Skiklamotten inclusive Rucksack sind alle schwarz. Etwas ungewöhnlich für einen Guide, denke ich. Seine roten Skischuhe wirken da fast wie fehl am Platz.

Heute hat unsere Gruppe ordentlich Verstärkung. Heike, Jörg, Dieter und Rolf machen von Harrys Freerideschnuppertag Gebrauch, den er für 40,- € montags, mittwochs und freitags anbietet. Wir liften wie gewohnt mit Albona 1 und 2 nach oben. Dort steigt Harry sofort halblinks ins Gelände. Er macht uns mit seinen Zeichen und Anweisungen vertraut. Dann ein "folgt´s mir, dran bleiben!" und los geht´s. Ich hänge mich gleich an ihn dran und erkenne bald, dass er in den gleichen Hang will, den wir mit Arnold am ersten Tag bereits abgefahren sind. Ich spare mir zwei Schwünge, um mit ordentlich Speed ein Stück der gegenüberliegenden Böschung zu packen. Dabei hätte ich mich fast übernommen. Die Ebene, die mit Schuss durchfahren wird ist voller vereister Spurrinnen. Gut, wenn man seinen vertrauten Ski hat. An der Böschung habe ich Harry wieder eingeholt, noch ein paar Meter hochstapfen und warten.

Zeit, die Neuen zu begutachten. Nun ja, scheinen alle ganz passabel zu fahren. Andrea wird wohl auch heute unser schwächstes Glied bleiben. Nach 10 Minuten sind endlich alle da. Ausnahmsweise ist Christine die Letzte. Sie war in den vereisten Spurrinnen gestürzt. Harry weiß jetzt, woran er ist und holt die drei langsamsten direkt hinter sich. Wir queren wieder ein paar hundert Meter und fahren den breiten Hang dann ab. Das Timing ist nicht gut. Wir sind noch fast eine Stunde zu früh. Der Schnee firnt erst langsam auf. Dementsprechend hart fühlt sich das an.

Harry gibt deutlich mehr Tempo vor als Arnold und er fährt auch längere Strecken bis er einen Halt einlegt. Mir kommt das sehr gelegen. So schaffe ich auch meinen eigenen Rhythmus. Bei einem Halt sehen wir eine Herde von 9 Gemsen. Sie scheinen vor uns Reisaus zu nehmen. Obwohl dies ein schöner Anblick ist, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Ich weiß zu genau, wie hart dieser Kraftakt in dieser nahrungsarmen Zeit für die Tiere ist. Das ist sicher eine negative Seite des Freeridens.

Bald sind wir wieder unten auf dem Ziehweg. Es ist sehr warm und ich beginne schon wieder zu schwitzen. Wir warten auf Andrea. Beim letzten Halt war sie als erste losgefahren, aber auf dem letzten Stück waren enge ausgefahrene Passagen und das bei dem Harsch, das ist für sie wirklich nicht ganz einfach, so dass alle vorbeigezogen sind. Sie hat die letzten Tage immer über Schmerzen in den Fußsohlen geklagt. Heute scheint es besonders heftig zu sein, denn sie kommt mit abgeschnallten Ski um die Ecke. Ich denke wieder an das Eis, das jetzt an den Sohlen klebt und den Aufwand, bis die Bindung wieder zu ist. Ja und so darf ich mich dann wieder in praller Sonne um Schuhenteisung kümmern. Danach bin ich patschnaß. Bin froh, dass der Ziehweg im Schatten liegt.

Der Ziehweg weist einige Passagen mit Gefälle auf, wo bremsen angesagt ist. Wegen der geringen Breite von nur gut zwei Metern, fahren die meisten Leute hier im Pflug. Deshalb ist der Weg in diesen Bereichen mittig richtig ausgehobelt. Hier geniesse ich meinen Swing, der spielerisch mit gecarvten Kurzschüngen unter Kontrolle zu halten ist. Am Ende des Ziehweges befindet sich eine kleine Hütte. Harry beschliesst, die Mittagspause vorzuziehen, damit nachher die Schneeverhältnisse besser sind. Ich nehme den Rucksack mit rein und bekomme prompt ein "Rucksack bleibt draußen!" vom Wirt an den Kopf geworfen. Ich beschliesse, dass der Mann mein Geld nicht braucht und nehme draussen im Schatten auf einer Bank Platz. Ist hier sowieso angenehmer. Handtuch raus und erst mal abtrocknen. Es scheint jeden Tag wärmer zu werden.

Irgendwann geht´s dann per Taxi direkt zur Talstation nach St. Anton. Wir nehmen den Sessel zum Gampen. Ich lifte mit Harry und ein paar von unseren neuen Jungs. Er fragt mich: "Woas fährst denn Du für´n Ski?" Ich erkläre ihm Edelwiser, wer und was dahinter steht und was für Ski die bauen. Er ist sehr interessiert und will auf jeden Fall sich die Sache im Internet anschauen. Aus Gründen des Marketings und der Preispolitik will Harry keine Ski verleihen, die im Sportdiscount zu finden sind. Deshalb hat er bisher nur die Marke Stöckli im Programm. Er selbst fährt ebenfalls Stöckli.

Jetzt fahren wir runter zum Zammermooslift, der uns auf den Galzig bringt. Unterwegs frage ich Harry, ob er mit uns die Valluga Nord abfahren würde. Ich hätte dies gerne gemacht, auch wenn die Verhältnisse nicht optimal waren. Er schnauft und schüttelt langsam den Kopf. "S´gibt doa zwoa Schtellen, doa solltets net stürzen. Die Andrea bring´I doa nit heil runter!" Er erklärt mir, dass normalerweise zwei bis drei Freeridegruppen parallel laufen. Dann schauen sie immer, dass die Gruppen homogen sind. Nur diese Woche ist das Freerideinteresse sehr gering.

Oben erklärt uns Harry, dass er mit uns noch etwas Koordination und Technik trainieren will, bevor wir nachher in anspruchsvolles Gelände gehen. Letztendlich trainieren wir Kurzschwungtechnik. Wir sind jetzt auf der Arlenmäderpiste, eine blaue. Harry gibt den Rhythmus vor und wir sollen seinen Rhythmus aufnehmen. Für mich fühlte sich das noch recht gemütlich an, aber ich war mir sicher, dass da noch was kommen musste. Nach dem zweiten Halt, kurz vor dem etwas steileren Teil grinst er. "So und jetzt kurzschwingen bis runter nach Stuben, aber immer schön zackig und keine Unterbrechung". Jetzt grinse ich in mich hinein. Der will uns jetzt einfach mal zeigen, wo der Hammer hängt. Das wäre schließlich eine Strecke von rund 1,2 km. Ich kenne die Strecke ja sehr gut. Ich beschliesse letzter zu machen, um den Überblick zu haben.

Harry fährt los, alle versuchen sein Tempo aufzunehmen. Schnell wird klar, dass gar nicht alle in der Lage sind, dieses Tempo selbst auf kurze Distanz zu halten. Nach drei Schwüngen ziehe ich an Andrea durch, der Rest bemüht sich redlich dran zu bleiben. Es sieht schon gut aus. Ich habe jetzt mit Harry 8 relativ synchron schwingende Skifahrer vor mir, ich bin der neunte. Die Leute auf der Piste werden auf unsere Kurzschwungkette aufmerksam und schauen uns zu. Nach rund 200 m zerbröselt es Hermann in einer riesigen Staubwolke. Als ich auf gleicher Höhe bin, sehe ich aus den Augenwinkeln, dass er bereits wieder steht und alles in Ordnung zu sein scheint. Also weiter, wir haben jetzt das steilere Stück hinter uns. Der Rest ist sehr flach und bietet sich eigentlich für Kurzschwung nicht an. Harry scheint der Hafer zu stechen. Bei der Abzweigung zum Valfagehrlift steht eine größere Ansammlung an Skifahrern relativ locker beisammen. Ich denke, er weicht aus und schwingt um die Gruppe. Aber nein, Harry schwingt mitten durch die Leute, der Rest hinterher. Ich ziehe es vor, einen grossen Carvingschwung um die Gruppe herumzuziehen und dann wieder eingereiht den Rhythmus aufzunehmen. Uh, dieser Carvingschwung tat meinen Oberschenkeln echt gut. Viel länger halte ich das nicht mehr durch. Aber jetzt hält Harry auch. Jetzt bloss nicht anmerken lassen, dass man am Limit war. :D :D

Wir warten, bis Hermann und Andrea bei uns sind. Dann können wir flott nach Stuben runter carven. Auch das tut richtig gut.

Jetzt wieder Albona hoch, die Piste runter und hochliften zum Albonagrat. Dort steigen wir ebenfalls wieder an der selben Stelle ein, an der Arnold am ersten Tag gleich morgens mit uns eingestiegen ist. Ich bin gespannt, der Schnee war damals noch sehr gut, wie wird er jetzt sein? Ja, es ist dasselbe, ein paar Schwünge, queren, wieder ein paar Schwünge, queren und wir sind wieder an diesem schönen Pulvernordhang. Entweder stehe ich jetzt besser auf dem Ski, oder es liegt am Swing. Der Hang macht mir viel mehr Spass als beim ersten mal. Diesmal lasse ich mich auch nicht mehr vom Harsch am Hangfuss überraschen und fahre sehr kontrolliert. Ein Blick zurück auf die Schwünge am Hang. Ich bin sehr zufrieden.

Der nächste Hang ist deutlich steiler. Harry ordnet 50m Abstand zum Vordermann an. Ah, der macht mir noch mehr Spass. Diesmal bin ich mir sicher, dass es am Swing liegt. Er geht einfach easy um die Ecke. Auch hier passe ich am Hangfuss auf, dass es mich nicht im Harsch zerlegt, bin aber hier mit meiner Fahrweise nicht zufrieden. Harry mahnt dann auch gleich "weiches Fahren, weiches Fahren!" Damit meint er größere Radien und geringere Aufkantwinkel, sanfte Richtungswechsel, um im Harsch nicht einzubrechen. Bei der Weiterfahrt durch das flache Gelände mit Jungaufwuchs kann ich das gut üben. Und tatsächlich, mit etwas mehr Feeling und weniger Hektik geht das ganz gut. Dann befinden wir uns schon am Waldrand und der Schnee ist jetzt eher nässer, dafür weich.

Harry nimmt im Wald jetzt eine andere Richtung als Arnold. Von dem Pulver am Sonntag ist nicht mehr viel übrig. Je weiter wir runter kommen, desto nässer und schwerer wird der Schnee und desto kräftezehrender. Der Wald ist hier recht dicht. Oft ist die einzige Orientierung zum Vordermann die frische Spur. Harry weist uns über Rufen den Weg. Der Wald ist jetzt so dicht, dass ich keine zehn Meter an Harry und einem Teil unserer Leute durchgefahren wäre, wenn sie nicht gerufen hätten. Ich bin wieder froh, um meine kurzen Ski. Wir sammeln uns jetzt alle und queren ein Stück. Dann halten wir an. Wir sind an einer Stelle, wo nur einzeln eingestiegen werden kann. Andrea ist als erste dran. Langsam verschwindet sie um die Ecke. Dann komme ich. Wow!

Talabwärts blicke ich auf eine ca 10m breite Waldschneise, angelegt vermutlich zur Holzernte. Rechts davon ist dichter Wald, ich sehe auf den unter mir liegenden 200 m nur eine einzige Stelle, die es erlauben würde, einen Schwung in den Wald zu ziehen. Aber das Beste ist die linke Seite. Die Schneise wird begrenzt durch einen vereisten Wasserfall, der tief ins Gelände schneidet. D. h. die linke Seite sollte man beim Abfahren lieber nicht ausreizen, sonst könnte es einen Absturz geben. Das ganze wirkt wie eine schmale Piste, deren Begrenzungspfosten ein Wasserfall und ein Wald sind. Das Gefälle wechselt stark. Von sehr steil bis flach ist alles dabei. Der Schnee ist sicher sauschwer. Andrea konnte sich bisher noch nicht überwinden loszufahren. Ich gebe ihr einen Tipp, wo sie die ersten zwei Schwünge ansetzen könnte. Harry steht bereits 100 m weiter unten. Anweisung wieder 50m Abstand.

Inzwischen ist Andrea im Hang, aber sie ist unmöglich in der Lage auf diesem beengten Terrain einen Rhythmus aufzubauen. Harry fordert mich auf zu fahren. Ich hatte ja genug Zeit, mir eine Linie zurechtzulegen und das versuche ich jetzt umzusetzen. Mann ist der Schnee schwer! Die Linie kann ich halten, aber ich muss einen Zwischenstopp einlegen. Es kostet einfach Kraft. Harry weist mich an, an ihm durch bis zum Ende der Schneise zu fahren. So bin ich schnaufend als erster unten und kann den anderen zu schauen. Sie schlagen sich alle wacker. Es gibt zwar ein paar harmlose Stürze, aber letztendlich schaffen es alle. Jetzt noch ein paar kräftezehrende Schwünge durch eine Tannenschonung, dann stehen wir wieder kurz vor der Passstrasse. Ich hole erst mal meine Trinkflasche raus. Mein Helm tropft an der Stirn wie ein defekter Wasserhahn. Jörg meint, er wird zu Hause seine Funktionsunterwäsche reklamieren. :D Harry frägt lapidar, ob noch jemand kalt wäre?

Rein ins Taxi, das uns direkt zum Albonalift fährt. Wieder rauf und Einstieg wie am morgen, aber diesmal zieht Harry ganz links weg. Hier waren wir noch nie. Der Schnee ist an den überwiegend nördlich ausgerichteten Hängen noch super. Alles mehr oder weniger gepresster Pulver. Wobei wir keinen Hang richtig abfahren, sondern immer wieder queren. Unser Guide hatte offensichtlich ein bestimmtes Ziel. Dann hält er zwischen ein paar Felsen. Wir stehen jetzt oberhalb einer Rinne. Der Einstieg der Rinne ist sehr schmal. Wir rutschen mit den Skiern seitlich ab. Nach ca. 30 m weitet sich die Rinne und unter uns liegt ein steiler Hang(irgendwo zwischen 40 und 45 Grad). Das Gefälle ist aber ungwöhnlich gleichmässig, fast wie planiert. Dazu Pulverschnee und eine ausreichende Breite von rund 20 m, um vernünftig fahren zu können.

Hermann gibt mir seinen Fotoapparat. Ich soll ihn von unten fotographieren. Ich schaue, dass ich als einer der ersten abfahre. Mann, hier passt wirklich alles! :o Schnee perfekt, Steigung genau mein Ding, super Rhythmus und der richtige Ski. Die Rinne ist viel länger als ich dachte, aber umso besser. So hätte ich noch lange schwingen können. Ich suche mir vor einem Felsen eine günstige Position und bringe die Kamera in Aktion. Da kommt Hermann auch schon. Ich schieße einige Fotos, um sicher zu sein, dass ein perfekter Schwung dabei ist. Alle sind happy. Diese Rinne ist wohl das Highlight des Tages. Bis ich die Kamera verstaut und mich wieder aufgerüstet habe, sind die anderen längst viel weiter.

Jetzt lasse ich den Swing laufen. Noch ein paar Schwünge in die Tiefe, dann ca 200m queren und nochmals einen breiten Nordhang nach unten schwingen, immer noch in bester Schneequalität. Der Hangfuss läuft unten flach aus und endet an einer kleinen Kuppe. Hinter dieser Kuppe kommen nochmals ca 50m leichtes Gefälle an dessen Ende das Gelände noch mal ansteigt. Auf dieser Anhöhe wartet Harry auf uns. Im Bereich des Hangfusses habe ich die anderen eingeholt. Ich lasse weiter laufen und steuere auf die Kuppe zu. Unmittelbar nach überqueren der Kuppe kann ich gerade noch registrieren, wie meine Ski stark verzögert werden. Dann mache ich einen Salto vorwärts und stehe wieder mit Stöcken in der Hand auf den Beinen, allerdings ohne Ski! :o :o Ich drehe mich um. Runde 8m oberhalb stehen meine Swing schön parallel nebeneinander als ob sie kein Wässerchen trüben könnte. Ich schaue mir die Sache genauer an und kann noch erkennen, wie beide Schaufeln sich in den gepressten Pulver gestaucht hatten, nicht tief, aber offensichtlich hat es gereicht, dass die Bindung hinten auslöste.

Was soll´s, reinsteigen und vollends zu Harry fahren. Der grinst nur und sagt: "Guat hat´s ausgeschaut!" Noch zwei weitere kleine Hänge und wir befinden uns auf der Piste S2 nach Stuben. Ich war als letzter gefahren und hatte mich als ich auf die Piste kam, kurvensüchtig wie ich nun mal bin, dazu hinreissen lassen noch drei enge Carvingschwünge über Lage zu fahren. Harry hat mich nachdenklich angeschaut, dann sagt er:"Speedcarven, versucht´s an mir dran´z´bleiben!" Hatte ich ihn inspiriert? Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. In 30m Abstand hänge ich mich ihm hintendran. Die Piste, die eigentlich ab hier nur ein breiterer Ziehweg von 5 bis 6 m ist, hat nur wenig Gefälle. Ich gehe in Abfahrtshocke. Da fällt mir ein, dass ich diese Strecke ja noch gar nie gefahren bin. :roll: Was soll´s, Harry wird schon frei räumen :D . Die Strecke hat einige Spitzkehren, um die man nicht herum sieht. Eigentlich bescheuert was wir hier machen, aber es macht tierisch Spass und ich fühle mich super in Form.

Durch mein anfängliches Überlegen hatte sich der Abstand etwas vergrößert. Aber in jeder Kehre mache ich Boden gut. Es lebe der Innenski. Bei diesen griffigen Verhältnissen geht das gut. Es sind auch so gut wie keine Leute auf dem Weg. Auf der ca 1km langen Strecke nimmt mir Harry letztendlich nochmals 20m ab. Damit kann ich gut leben.

Heute reicht´s uns allen. Es war ein sehr strapaziöser, aber auch spannender Tag. Und nach so einem Tag schmeckt auch das Radler beim Après einfach noch besser.



4. Tag

Heute nacht hat es geregnet. Schneefallgrenze 1700m. Die Sicht ist mies und vormittags sind weitere Niederschläge angesagt. Wir fahren wie jeden Tag mit dem 8:43er in das auf 1400m gelegene Stuben.

Harry fordert uns auf, herein zu kommen. Wir legen erst mal ab und machen es uns in der Hotellounge gegenüber Harrys Büro gemütlich. Die Lounge ist mit Leinwand und Beamer ausgerüstet, was wir später noch nutzen sollten. "Wer bei solchen Bedingungen wie heute freeriden geht, hat gute Chancen zu sterben", eröffnet er das Thema. Er erklärt uns Dinge wie das Einzeln fahren oder mit großen Abständen fahren in kritischen Hängen und geht auf die physikalischen Zusammenhänge ein. Er betont, dass Freerider sehr sicher fahren können müssten und genug Kondition haben sollten, um einen kritischen Hang komplett durchfahren zu können. Stürzen in kritischen Hängen sei besonders fatal, da ein Sturz für den Hang die gleiche physikalische Belastung darstelle, wie wenn eine Gruppe von 10 Personen gleichzeitig einfährt.

Er empfiehlt die Sinne zu schulen und sozusagen immer mit einem Plan B in den Hang einzufahren, wenn es kritisch werden sollte. Sammelpunkte sollten immer auf Anhöhen sein, niemals in Mulden oder im steilen Hang. Dann besprechen wir, was zu tun ist, wenn doch einmal eine Lawine abgeht und Leute verschüttet werden. Wohin Notrufe abzusetzen sind, wie unterkühlte Personen behandelt werden sollen. Er betont den Faktor Zeit und zitiert Statistiken, nach denen die Überlebenschancen von Verschütteten nach 15 min rasch abfällt. Als letztes bespricht er den Einsatz von LVS-Geräten. Er erklärt, dass es analoge und digitale Geräte gibt, aber weltweit alle mit der gleichen Frequenz senden. Die digitalen werden sich durchsetzen. Er erklärt uns anhand unserer analogen Ortovoxgeräten die Handhabung bei der Suche. Anschließend zeigt er uns die Funktionsweise eines digitalen Gerätes anhand eines Modells von Mammut. Er hält diese Geräte für das Beste, was momentan am Markt ist.

Dann gehen wir mit Sonden und unserem Gerödel zum Anfägerlift in Stuben, direkt an der Passstrasse. Neben dem Anfängerlift/Piste befindet sich auf einer Fläche von etwa 20 mal 8 Metern ein stationäres Lawinensuchfeld. In diesem Feld sind 6 Sender versteckt, die einzeln oder per Zufallsprinzip aktiviert werden können. Hier üben wir jetzt den Umgang mit unseren analogen Ortovox. Harry aktiviert für den Anfang nur einen Sender, den wir gemeinsam suchen sollen. Anfangs habe ich noch ein bischen Probleme damit, die richtige Empfängerstärke und die Größe des Suchfeldes zu koordinieren. Aber irgendwann habe ich es gerafft. Wir stellen fest, dass mein Gerät in der kleinsten Feinabstimmungsstufe am sensibelsten ist. Offenbar gibt es da innerhalb der gleichen Geräte Unterschiede. Ich gehe auf die Knie und kann den Sender auf ein Feld von etwa 60 mal 60 cm eingrenzen. Sonde mittig im Feld ansetzten, kräftig mehrmals durchstossen. Ein harter Widerstand macht sich in etwa einem halben Meter Tiefe bemerkbar und da tönt auch schon das Akkustiksignal, dass wir getroffen haben. Die Anzeige misst die Zeit von Beginn Suche bis Treffer. Zu fünft haben wir fast 15 Minuten gebraucht, um den einen Sender zu finden. Sehr ernüchternd.

Harry aktiviert jetzt 3 Sender. Wenn wir einen finden, wird er automatisch ausgeschaltet, was die Suche der anderen natürlich erleichtert. Andrea soll das Kommando übernehmen und die Suche koordinieren. Sie geht mit uns ans Ende des Feldes und lässt uns parallel absuchen. Ich habe recht schnell ein Signal. Ich beginne die Suche, die anderen gehen weiter. Jetzt wieder methodisch das ganze eingrenzen, dann Feineinstellung, auf die Knie und Grenzen markieren. Wieder ist es ein ähnlich grosses Feld als vorher. Die Sonde findet den Sender. Derweil haben die anderen bereits zwei Signale lokalisiert. Ich kommen ihnen zu Hilfe. Wieder zeigt sich, dass mein Gerät deutlich sensibler ist. Hermanns Gerät ist eine einzige Katastrophe. Mit seinem funktioniert die Feinabstimmung nicht. Ich habe schnell wieder einen Sender lokalisiert. Mit dem letzten tun wir uns schwer. Das Feld ist deutlich größer als bisher. Ich tippe auf ziemlich tief liegenden Sender, da dann die Streuung breiter ist. Wir versuchen in dem großen Feld die Mitte zu bestimmen und gehen dann mit 3 Sonden auf die Suche. Nach einigem Probieren finden wir den Sender in 1,5 m Tiefe. Zeit für drei Sender: 9 Minuten, wir werden besser.

Nochmals üben, diesmal sind 5 Sender zu finden, die nach dem Auffinden nicht ausschalten. Ich soll das Kommando übernehmen. Ich schicke 2 Personen an das eine Ende des Feldes und übernehme mit dem Rest die Suche ab anderem Ende. Jetzt sind wir richtig im Jagdfieber. Die gefundenen Sender markieren wir mit unseren Utensilien, um uns auf die anderen Punkte konzentrieren zu können. Nach knapp 8 Minuten haben wir alle 5 Sender gefunden. Ich fühle mich jetzt recht sicher im Umgang mit dem Gerät.

Harry aktiviert jetzt nochmals 4 Sender. Wir dürfen jetzt mal die digitalen Geräte von Mammut ausprobieren. Thorsten hat jetzt das Kommando. Wir teilen uns wieder auf. Das Gerät hat ein Display wie ein Handy, auf dem ein Pfeil agiert. Der Pfeil zeigt mir die Richtung, in die ich gehen muss. Das ganze sieht aus wie ein kleines Navi. Knackpunkt ist, dass ich das Gerät immer gleich vor mich halten sollte, damit der Pfeil nicht hin und her wechselt und mich verwirrt. Ebenso muss ich deutlich langsamer gehen als beim Ortovox, damit der Rechner Zeit hat, die neue Position zu bestimmen, sonst kann ich keine eindeutige Gehrichtung ausmachen. Hat man den Sender ziemlich dicht erfasst, erscheint ein Fadenkreuz, mit dem die Feinausrichtung passiert. Gut ist auch, dass ich die Position eines gefundenen Senders löschen kann, so dass ich besser weiter suchen kann.
Nach 4,5 min haben wir alle 4 Sender gefunden. Keine Frage, welches Gerät ich mir kaufen würde... :roll:

Nachdem Zusammenräumen gehen wir mit Harry Mittagessen. Es regnet immer noch zeitweise, aber nachmittags soll die Sicht besser werden. Harry nimmt seine Videokamera mit und wir wechseln über die Pisten ins Gebiet von St. Anton. Er will mit uns Fahrtechnik üben und uns filmen. Auf der blauen Piste ins Steisbachtal machen wir unsere ersten Übungen. Wir sollen Kurzschwünge fahren, Harry filmt uns. Die Sicht ist nur mässig, gerade so, dass man noch Aufnahmen machen kann. Ab und zu blinzelt für einen kurzen Augenblick die Sonne durch. Beim nächsten mal wieder Kurzschwünge, dann aber ab einem gewissen Punkt Wechsel zu grossen gecarvten Radien. Ich bin mit meinen Fahrten nicht zufrieden. Bedingt durch die schlechte Sicht, hatte ich das Gefühl, schlecht auf dem Ski zu stehen. Den anderen geht es allerdings nicht besser. Harry packt die Kamera ein.

Jetzt heißt das Kommando Schuhe auf. So dürfen wir carven bis zum Lift. Offene Schuhe sind mir mit dem neuen Schuh vom Leitner ziemlich wurscht. Der Unterschied offen oder zu ist nur minimal. Wir liften nicht, sondern machen jetzt Übungen auf der Zammermoospiste Richtung Heustadl und Mooserwirt. Harrys Liste der Gemeinheiten ist groß:

Einbeinfahren, Kurzschwung mit Stöcken lose auf Handrücken, Charlston tanzen (Kurzschwung immer auf dem Innenski), Kurzschwung und dabei die Stöcke in den Händen drehen, Kurzschwung mit beidstöckigem Stockeinsatz auf der Talseite, Kurzschwung mit Stöcken nach oben etc, etc. Hier kann ich jetzt voll aus dem Erfahrungsschatz der letzten drei Carving-Camps schöpfen. Ich tue mir von allen Teilnehmern deutlich am leichtesten. Vor allem die Innenskiübungen bringen meine Mitfahrer um den Verstand. Im Tal trennt sich Andrea von uns, um in Stanton sich eine Einlegesohle für ihre Skischuhe machen zu lassen. Sie hofft, dass sie so ihre Schmerzen los wird. Bei strahlendem Sonnenschein liften wir mit dem Sessel wieder zum Gampen, runter zum Zammermoos und rauf zum Galzig. Inzwischen ist die Sicht wieder zu, es schneit leicht.

Wir fahren auf der Piste Arlensattel, als Harry links ins Gelände geht. Die Sicht ist schlecht, also bleibe ich als erster hinter ihm dicht dran. Ach herrje, wir scheinen in einer Buckelpiste zu sein. Der wenige Neuschnee macht die Sache schön weich. Der Kurs, den Harry vorgibt, liegt mir gut. Thorsten ist ebenfalls dicht hinter mir, dann werden die Abstände größer. So schön diese Buckel mit dem Neuschnee sind, irgendwann frage ich mich, ob Harry Oberschenkel aus Stahl hat. Meine schreien nach 30 Schwüngen (gefühlte 50) nach Pause. Aber Harry fährt weiter. Vielleicht ist ja ganz gut, dass normalerweise Andrea ihn ein bischen bremst, sonst würde er uns wahrscheinlich in Schutt und Asche fahren. Irgendwann ist auch der längste Hang zu Ende. Harry hält bis alle wieder den Anschluss haben.Jetzt weiß ich, wo wir sind. Die Sicht ist gerade besser geworden und ich kann in der Ferne den Ahrlenmäderlift zur Ulmer Hütte erkennen. Wir queren rüber, liften hoch und machen dann wieder runter nach Stuben verschiedene Kurzschwungübungen.

Dann gehen wir wieder in die Lounge, um uns von Harry unsere Fahrkünste auf dem Video analysieren zu lassen. Ich bin positiv überrascht von meinen Aufnahmen. Keine Spur von Unsicherheit, wie es mir meine Innenansicht gesagt hatte. Harry hat überhaupt nichts auszusetzten. Auch meine doofe Armhaltung, die ich noch im Camp speziell beim Carven hatte, ist eliminiert. Nach der Analyse gibt er noch ein paar Tips zur richtigen Haltung im Gelände und zeigt uns das an Hand eines Fotoalbums. Darin sind Freerideprofis zu sehen, die er im Dezember geführt hatte und einen professionellen Fotografen dabei hatten.

Christine, Thorsten und ich beschliessen anschliessend noch mal hoch Richtung Schindlerkar zu gehen. Ich spekuliere auf etwas Sonne. Aber während wir mit dem Valfagehrlift hochgehen zieht es richtig zu. Wir fahren trotzdem zum Schindlerkarlift. Ups, der Pistendienst scheint heute sehr früh Schluss zu machen. Eine Viertelstunde zu früh steht schon das Sperrschild. Der Pistendienstmann hat gerade das Schild aufgestellt. Er schickt uns zum Ahrlenmäder, um auch hier gleich hinter uns dicht zu machen. Die Sicht wird immer schlechter. Wir bleiben dicht an der Pistenmarkierung und eiern zum Lift runter. Rauf zur Ulmer Hütte, immer noch gleich bescheidene Sicht und Abfahrt Richtung Stuben. Gut, dass wir diese Piste sehr gut kennen, so kommen wir doch sehr zügig voran. Am Schluss kriegen wir dann wieder gute Sicht und können es auf der absolut leeren Piste richtig krachen lassen. Auch der Tag gefiel mir eigentlich sehr gut.



5. und letzter Tag

Der Tag beginnt noch etwas diesig, aber erste blaue Wolkenlücken sind schon erkennbar. Es soll im Lauf des Tages ordentlich Sonne geben und gut warm werden. Heute haben wir wieder Verstärkung: Karin und Matthias, er aus Berlin, sie aus Thüringen arbeiten als Ärzte in Luzern. Sie waren schon oft am Arlberg zum Freeriden.

Harry will mit uns heute morgen erst noch mal ein paar Fahrübungen machen bis die Sicht gut ist. Wir liften wieder Albona hoch. Als erstes ist schnelles Carven angesagt. Dabei sollen wir so schnell wie möglich über eine Kuppe fahren, an die er sich stellt. Dabei sollen die Ski nicht abheben. Diese Aufgabe macht mir Spass. In weiten Carvingschwüngen nehme ich Fahrt auf. Die rote Piste ist ideal, um den Ski voll laufen zu lassen. Ich erwische den optimalen Punkt, um über die Kuppe zu kommen und carve noch ein paar Schwünge weiter runter. Die anderen schaffen es auch. Die beiden Neuen scheinen sehr gute Fahrer zu sein. Harry war jedoch nur mit meiner Fahrt zufrieden.

Wir fahren vollends runter und stellen die Stöcke ab. Juhu, das wollte ich schon lange. Wieder oben üben wir Carvingschwünge mit in den Schnee greifen. Für Leute, die das noch nie gemacht haben, nicht ganz einfach. Dann holen wir die Seile aus den Rucksäcken, die uns Harry heute morgen mitgegeben hat. Wir üben jetzt Kurzschwünge und schwingen das Seil wie ein Lasso über dem Kopf. Ging ganz gut. Im nächsten Hang wieder Kurzschwung, diesmal das Seil laufend von einer Hand in die andere werfen. Wieder hoch liften. Diesmal Kurzschwung und mit dem Seil eine liegende Acht beschreiben. Hier kapituliere ich. Ich bekomme die Figur wie die anderen schon kaum im Stehen hin. Aber Harry ist unerbittlich. Eine ganze Abfahrt mit Zwischenstopps üben wir dies. Am Schluss hat es Karin einigermaßen drauf, auch bei Hermann sieht es ganz passabel aus. Bei mir und dem Rest hapert es nach wie vor.

Wieder hoch liften. Wir müssen zwei Seile zusammenknüpfen. Er will jetzt Kurzschwung mit schnellem Kantenwechsel üben. Dazu müssen immer zwei zusammen. Einer stellt sich mit dem Seil um die Hüfte in Falllinie, der andere hält die beiden Seilenden in den Händen. Der muss nun durch schnelle Kurzschwünge den Vordermann kontrolliert den Hang runter bringen. Und das bei einer von der Steigung her deutlich roten Piste. Ich mache die Übung mit Thorsten, da wir die gleiche Gewichtsklasse haben. Als erstes muss er mich bremsen. Es kostet mich richtig Überwindung, passiv in die Falllinie zu stehen. Thorsten kann mich ganz gut halten. Irgendwie schaffen es alle. Nur Andrea hat keine Chance. Sie darf Kurzschwünge alleine üben. Harry ist mit den ersten Fahrern nicht zufrieden. Er will mehr Tempo, eine höhere Kadenz. Jetzt ist Wechsel. Mann, ich muss mich ganz schön gegen den Berg hängen, um Thorsten unter Kontrolle zu halten. Aber die Übung gefällt mir. Je schneller ich schwinge desto weniger Bremskräfte spüre ich in den Armen. Das liegt daran, dass der Vordermann dann kontinuierlicher fährt und weniger ruckartige Zugkräfte auf meine Arme wirken.

Wir wechseln noch zweimal. Beim zweiten Mal schwinge ich schon bedeutend schneller. Harry ist zufrieden. Unsere Schwingkönigin ist aber eindeutig Karin. Unglaublich, wie dieses zierliche Persönchen, dem nur Kinderskihelme und /brillen passen und wohl weniger als 50 Kilo auf die Waage bringt mit den Skiern wirbelt :o .

Inzwischen haben wir Sonne pur. Seile einpacken, Stöcke fassen und ab ins Gelände. Wir nehmen am Albonagrat wieder die Richtung, wo wir bei Langen an der Passstrasse rauskommen. Harry läßt uns mit offenen Schuhen fahren. Das Gelände kommt mir jetzt schon richtig vertraut vor. Der Schnee ist im oberen Bereich durch eine 5 cm starke Neuschneedecke von gestern super. Es fährt sich genial. Weiter unten sind jetzt die Bereiche, in denen es bisher Harsch gab durch die Wärme weich und feucht geworden. Fährt sich ebenfalls viel besser als Harsch. Als wir in den Wald kommen ist deutlich spürbar, dass wir jetzt in der Höhenlage sind, wo es gestern reingeregnet hat. Wir haben richtig schweren Naßschnee. Matthias entpuppt sich als Freeridefreak. Wie er mit seinem K2 Seth Vicious die Hänge runterbügelt ist einfach sehenswert. Er bevorzugt grosse Radien und gibt ordentlich Speed. Er scheint sich hier auszukennen, denn er verlässt öfters unsere Spur und Harry lässt ihn gewähren.

An einem Sammelpunkt im Wald stehen wir am Rand eines imposanten Abhangs. Abgrund wäre vielleicht treffender. Ein Halbtrichter mit oben etwa 35 m Durchmesser fällt extrem steil sich stetig verengend etwa 70 m ab und mündet in eine kurze enge Rinne. Nach der Rinne kommt so weit es von unserer Position erkennbar ist, wieder ein breiterer normaler Hang. Ich bin mir sicher, dass Harry da mit uns nicht runter will, trotzdem überlege ich mir während wir auf den Rest warten, ob und wie ich da runterfahren würde. Ich bin noch zu keinem Ergebnis gekommen, als Matthias dahergedüst kommt. Er wirft einen Blick runter und frägt: "Harry, darf ich hier runter?" Harry zögert einen Moment, Karin meint, er solle das lassen. Harry schauf Matthias an und nickt. Als ob er Angst hat, Harry könnte es sich anders überlegen, lässt Matthias sofort die Ski über die Kante gleiten. Er zieht mit Speed bis an den Rand des Trichters, springt mit den Ski um, zieht stark abwärts haltend an den anderen Rand, springt wieder um. Dann noch drei Kurzschwünge, Schuss durch die Rinne, um dahinter im Hang zu halten. Das alles in wenigen Sekunden. Ein halber LKW Naßschnee poltert träge Richtung Rinne und bleibt dort liegen. Der Kerl hat´s echt drauf :o :o :o . Ich meine nur zu Harry, dass der sicher nicht das erste mal hier runter ist. Er meint, "na, des net!"

Wir queren wieder ein Stück im Wald. Ich denke, dass wir wieder an den Wasserfall kommen, aber nein, Harry hat noch was anderes auf Lager. Wieder eine Schneise, ca 200m lang und 10- 12m breit. Diesmal beidseitig von Wald begrenzt. Der Einstieg ist steil, danach aber OK. Von der Breite her funktionieren nur Kurzschwünge, aber das haben wir ja auch genügend trainiert. Ich fühle mich heute gut in Form und deshalb setzte ich mir das Ziel, die 200 m am Stück durchzuschwingen. Also rein ins Vergnügen! Ach herjeh, ist der Schnee schwer. Aber jetzt will ich´s wissen. Ich halte den Rhythmus und lasse mich völlig ausgepowert unten nach dem letzten Schwung neben Harry in den Schnee fallen. Er lacht, aber sein "guat g´foarn bist" entschädigt für die Mühen. Dann sind wir nach ein paar Schwüngen auch schon wieder unten an der Paßstraße, wo wir wieder mit Matthias zusammen treffen. Per Taxi gehen wir zum Mittagessen ins Hotel Post.

Dann geht´s wieder rauf zur Albona, gleich links weg. Wir haben Sonne und super Sicht. Harry fährt mit uns jetzt eine völlig neue Route. Der Schnee ist hier klasse. Alles gepresster Pulver mit Neuschneeauflage. Wir fahren einen Hang nach dem anderen ab, dazwischen nur kurze Querungen. Mann ist das geil. Wir haben jetzt ein ordentliches Tempo drauf, selbst Andrea fährt jetzt befreiter. Dann eine längere Querung mit tiefen Spuren. Hier passiert´s wieder. Ich merke Gegendruck am Talski, aber bevor ich reagieren kann, ist er schon ab. Ich bremse auf dem Innenski ab und schaue zurück. Ich sehe deutlich, wie die Schaufel im gepreßten Pulver gestaucht hat. Wieder nicht tief. Aber durch die hohe Geschwindigkeit hat es gereicht. Das ist wohl eine Schwachstelle des Swing. Die Schaufel ist hierfür zu hart bzw. der Ski etwas zu kurz. Christine hinter mir bringt den Ski. Rein in die Bindung und weiter geht´s.

Diese Route ist ein Traum. Immer öfters hört man von uns einen Jauchzer und selbst Harry läßt sich zu einem "Guet foart´s, i bin schtolz auf eich!" hinreißen. Aber es ist wirklich auch offensichtlich. Wir haben uns alle in dieser Woche fahrerisch verbessert. Ich fühle mich in einer Stimmung, als ob mir heute alles gelingen würde. Außer Andrea, die einfach am Ende ist und aufhören will, fahren wir nochmals mit dem Lift hoch und steigen an der selben Stelle ein. Ich denke Aha, nochmal das gleiche, was absolut in Ordnung gewesen wäre, aber dann fährt Harry doch anders. Er hält plötzlich bei einer Felsengruppe und sagt: "Jetzt kriagt´s noch zom Schluss a Bonbon von mir!" Grinst und hält zwischen die Felsengruppe. Jetzt erst sieht man, dass zwischen den Felsen eine schmale Lücke ist.

Der Einstieg ist extrem schmal. Wir rutschen seitlich ab. Ich bin mit meinen kurzen Swing klar im Vorteil, trotzdem sind mehrere Stellen, an denen ich vorne und hinten mit den Ski an den Felsen anstehe. Matthias scheint das nichts auszumachen. Er hüpft mit seinen langen Latten irgendwie durch die Engstellen durch. Nach etwa 40 m stehen wir am Einstieg einer Rinne, die oben zwar nur um die 5 m Breite hat, sich dann aber im weiteren Verlauf schnell auf etwa 20 m weitet. Ordentlich steil, aber wieder bester Presspulver. Nach den ersten zwei Schwüngen muss ich jeweils noch stoppen, aber dann finde ich den Rhythmus. Einfach Wahnsinn, und dann auch noch schön lange, da die Rinne in einen breiten Hang mündet. In dem Hang steht ein gewaltiges Betonbauwerk. Es ist der Entlüftungsschacht für den Arlbergtunnel, weiss Thorsten. Harry führt uns über weitere Hänge bis zur Pistentalabfahrt.

Ab dort haben wir immer die Piste genommen. Jetzt will er, dass wir bis ins Tal übers Gelände gehen. Das ist schon eine Herausforderung. Denn ab hier sind es keine Hänge mehr, sondern eher große Böschungen mit viel Buschwerk drin. Aber wie gesagt, heute geht irgendwie alles und so stürze ich mich mit Harry, Thorsten und Matthias da runter. Der Rest bevorzugt die Piste. Der Schnee ist hier wieder sehr nass und somit schwer. Aber es macht Spass. Dadurch, dass es selten mehr als 5 Schwünge sind bis wir wieder die kreuzende Talabfahrt queren müssen, ermüden meine Beine auch nicht. Einmal verliert sogar Harry einen Ski, so schwer ist der Schnee. Unten am Lift ist Schluss mit der Freeridewoche. Aber weil es so schön ist, fahren Christine, Thorsten und ich nochmals hoch zum Schindlerkar. Wir steigen gleich oben in der Rinne ein und gehen in die Buckel.

Der Schnee war hier in den vergangenen Tagen schon gut, hat sich aber durch den Neuschnee deutlich verbessert. Ich komme super flüssig durch die Buckel. In nur drei Abschnitten fahre ich bis zur Ulmer Hütte runter. Auch bei Christine und Thorsten läuft es super. Dann die Valfagehr runter schön carven. Im letzten zerfahrenen steileren Stück, wo wieder Kurzschwünge angesagt sind, merke ich dann wie mein Oberschenkelakku schlagartig zusammenbricht. Ich schaffe nur noch 7 bis 8 Schwünge am Stück, dann brauch ich Pause. Christine geht es ähnlich, nur Thorsten scheint nach drei Wochen Skiurlaub am Stück fit genug zu sein. In langen Carvingschwüngen nach Stuben endet dann eine hochinteressante Skiwoche.

Fazit:

Für die bescheidenen Schneeverhältniss sind wir viel und gut im Gelände unterwegs gewesen. Hier sind meine Erwartungen weit übertroffen worden. Die Einweisung in den Umgang mit LVS kam spät, war aber dann hervorragend. Negativ war sicher die unhomogene Gruppe. Etwas mehr erwartet hätte ich Dinge, wie hangbezogene Einschätzung von Lawinengefahr oder Fahrweise mit hangbezogener Risikominimierung. Da hätte ich von unseren Guides mehr erwartet.

Viel Spass beim Lesen wünscht Euch

Wendelin


PS.: Wenn ich gewusst hätte, wieviel Arbeit dieser Blog mir macht, hätte
ich vermutlich erst gar nicht angefangen... :wink: :D :D
Zuletzt geändert von südi am 02.03.2008 01:21, insgesamt 4-mal geändert.

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Re: Freeride-Camp am Arlberg

Beitrag von Uwe » 28.02.2008 10:05

Hi Wendelin,
südi hat geschrieben: Puh, so ein Blog macht ganz schön Arbeit, Fortsetzung folgt... :o :D
Dafür ist das Lesen um so angenehmer :D
Danke und weiter so!
Uwe

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Beitrag von carlgustav_1 » 28.02.2008 10:42

hi wendelin, danke für die mühe - macht lust auf ähnliches programm, wenn ich auch aus deiner beschreibung den zweiten tag für von den veranstaltern/führern etwas leichtsinnig geplant/durchgeführt empfinde - wenn auch letztlich nix passiert ist :o so in sachen abstimmung der tour auf die unterschiedliche kondition der teilnehmer, falsche route genommen und zu tief rausgekommen etc... klingt erstmal durchaus dramatisch...?!?

viele grüße,
martin
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Beitrag von Hendrik » 28.02.2008 10:46

Wow, da hast du dir aber Arbeit gemacht! Verstehe ich das richtig, dass ihr auf einem >45° Nordhang rumrennt und außer dem Bergführer keiner das LVS bedienen kann oder konnten schon alle damit umgehen?
Habt ihr keine Sonden bekommen?
Skifahren statt surfen!

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Beitrag von Herbert Züst » 28.02.2008 11:00

Schöner Bericht, erinnert mich an alte Zeiten.
Sich aber bei schönem Wetter und guten Bedingungen mit einem prof. Führer so zu verlaufen stimmt doch nachdenklich. :roll: :roll:

Gruss Herbert
Zuletzt geändert von Herbert Züst am 29.02.2008 10:53, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von ursus2 » 28.02.2008 11:18

Hallo Wendelin,

schöner Bericht.

Schade dass das Fahrkönnen der Gruppe nicht harmonischer zusammen gesetzt war. Freu mich auf den zweite, dritte,... Teil Deines Blogs.

Bist Du an der Osterhasen-Jagd dabei?

Gruss
ursus
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Beitrag von goodie_1401 » 28.02.2008 13:37

joh, das waren auch meine Gedanken: Keine Einführung ins LVS, eine inhomogene Gruppe aber dann noch :o verfahren :o ???

Schön dass du wohlbehalten wieder da bist!

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Beitrag von beate » 28.02.2008 17:31

:o
Herzlichen Glückwunsch, Wendelin, dass du dieses Desaster heil überstanden hast. Bist du sicher, dass euer Führer ein geprüfter Bergführer und / oder Berufskilehrer mit Lawinenausbildung war oder hat er sich nur so genannt????
Wenn bei uns in der Skischule Gäste Freeride Touren buchen, bekommen sie Sonde, Schaufel und LVS gestellt und es beginnt mit einer Stunde Einweisung in die Geräte, wenn Anfänger darunter sind. War das bei euch nicht so? Evtl hast du ja auch nur vergessen das zu erwähnen?IMO ist es ansonsten ziemlich sinnlos, damit herumzulaufen...
Mir kräuselten sich beim lesen echt die Nackenhaare

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Beitrag von oenologe78 » 28.02.2008 17:53

Ich bin schon ganz gespannt, wie sich der Swing im Vergleich päsentiert.

Super schöner Bericht, den ersten Tag kann man glaube ich ganz gut auf der Karte von St. Anton verfolgen
Gruß Reiner

südi
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Beitrag von südi » 28.02.2008 18:51

goodie_1401 hat geschrieben:joh, das waren auch meine Gedanken: Keine Einführung ins LVS, eine inhomogene Gruppe aber dann noch :o verfahren :o ???

Schön dass du wohlbehalten wieder da bist!
Also das mit dem Verfahren war wohl ein Missverständnis zwischen Harry und Arnold. Harry hatte Arnold seine Spur vom Vortag als Orientierung genannt. Aber er hatte wohl eine andere erwischt und so sind wir zu tief gelandet. Er fährt zwar viel in Stuben, wohnt aber wie erwähnt im Montafon, weshalb er wohl nicht jeden Quadratmeter kannte.

Das mit dem LVS hat mich auch sehr gewundert. Es herrschte zwar Lawinenwarnstufe 1, aber in Ordnung ist das so sicher nicht. Wir bekamen die Einweisung erst am 4. Tag. Ich denke, lediglich Thorsten und Christine hatten etwas Erfahrung.

Werde wohl nachher weiter erzählen.

Wendelin

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