Wachs oder kein Wachs – Das ist hier die Frage

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Uwe
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Re: Wachs oder kein Wachs – Das ist hier die Frage

Beitrag von Uwe » 24.01.2017 15:55

odenwälder hat geschrieben:Bei den gesinterten PE-Skibelägen werden die Prozesse aber so geführt, dass keine Porenräume nach dem Sintern übrig bleiben.
Verstehe ich das richtig:
- Das Wachs dringt nicht in "großen" Poren
- Es dringt aber - auf molekularer Basis - in die "kleinen" Molekül-Zwischenräume ein .... die man ggf. auch als "Mikroporen" ansehen könnte.
Richtig so?
Uwe

odenwälder
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Re: Wachs oder kein Wachs – Das ist hier die Frage

Beitrag von odenwälder » 24.01.2017 17:06

Pancho.Ski hat geschrieben:Das ist dann aber ein deutlicher Widerspruch zu der sonst hier skizzierten Theorie (Flokati-Teppich, der mit den Fasern den Kunstsoff hält).

Allerdings kann man sogenannte "Brandzeichen", also dauerhaft zu sehende Muster des Bügleiesens auch schon deutlich kühler erzielen, man muss das Bügeleisen nur länger auf der gleichen Stelle belassen (spezielles Wachsbügeleisen, Temperatuureinstellung 130 °C). OK, diese Brandzeichen haben sich bisher nicht negativ sonst ausgewirkt.

Auch bei der gleichen Einstellung der Temperatur ist es mir gelungen, bei einem alten Ski den gesamten Aufbau so zu erwärmen, dass sich große Blasen unter dem Belag gebildet haben - teilweise hat sich die Metallschicht darunter gewölbt. Der Ski war im Eimer.

Für mich bleibt also fest zu halten:
Mag sein dass der Belag viel Hitze verträgt, der Ski als solches kann schon deutlich schneller Schaden nehmen. Also dennoch Vorsicht.
Das Bild von Matthias mit dem Flokati-Teppich ist, glaube ich, leider leicht missverständlich. Der Teppich existiert auf molekularer Ebene im Volumenmaterial des Kunststoffs. Es geht NICHT um Fasern im Kunststoff. Was er beschreibt ist die Anordnung der ziemlich langen PE-Moleküle. Wenn man sich die REM-Daten ansieht, sieht man wie sich die kristallinen und die amorphen Bereiche angeordnet haben. Dadurch sind auch große, zusammenhängende amorphe Bereich entstanden, die die Diffusion erleichtern und das Wachs aufnehmen. Er schreibt auch ganz deutlich, dass das Bild aus dem Volumen ist. Solche Strukturen entstehen in Kunststoffen z.B. durch mechanische oder thermische Beanspruchung. Da sehe ich keinen Widerspruch. Ich würde seine Aussage in anderen Worten so formulieren: "Es kommt nicht nur auf den Grad der Kristallinität an, sondern auch darauf, wie die amorphen bzw. kristallinen Bereiche strukturiert sind."
Ich folge der Meinung von Matthias weitestgehend (er ist hier der Experte, ich beschäftige mich "nur" mit Polymeren aber nicht mit Schnee) und gehe nur in ganz wenigen Details nicht konform (das betrifft die Vergrauungen als Zeichen von Oxidation, für mich sind das eher Zeichen von Kristallisation, sowie die Herkunft der irrigen Porentheorie - für mich kommt das von der missverständlichen Information der Kunden, denen "gesinterte Beläge" und keine "porenlos gesinterten Beläge" oder von mir aus "kompakt gesinterten Beläge" verkauft werden. In beidem kann ich mich auch täuschen ...).

zu den Brandzeichen: Ja, mit der Wärme ermöglichst Du es dem Polymer, dass es sich neu ordnet. Die ganze Behandlung bei der Herstellung des Belages ist darauf ausgerichtet, einen möglichst geringen kristallinen Anteil zu produzieren. Wenn Du es mit Wärme behandelst, wird es versuchen, Kristalle bilden. Das kann die optischen Eigenschaften lokal verändern. Die Blasen und das Ablösen des Metalls hat was mit Wärmeausdehnung zu tun. UHMWPE hat einen relativ großen Temperaturausdehnungskoeffizienten. Das kann in einem Verbundsystem nur schief gehen ...

Dein Fazit unterschreibe ich deshalb voll und ganz.
Uwe hat geschrieben:
odenwälder hat geschrieben:Bei den gesinterten PE-Skibelägen werden die Prozesse aber so geführt, dass keine Porenräume nach dem Sintern übrig bleiben.
Verstehe ich das richtig:
- Das Wachs dringt nicht in "großen" Poren
- Es dringt aber - auf molekularer Basis - in die "kleinen" Molekül-Zwischenräume ein .... die man ggf. auch als "Mikroporen" ansehen könnte.
Richtig so?
Genau so kann man das formulieren. (Allerdings spricht man streng genommen bei solchen Molekülzwischenräumen nicht von Poren).

Mr Snowstorm
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Re: Wachs oder kein Wachs – Das ist hier die Frage

Beitrag von Mr Snowstorm » 24.01.2017 18:46

Hallo Robert und alle, die mitdiskutiert haben,
erst mal ein großes Lob an das Forum! Ich habe selten erlebt, dass so fundiert und gut überlegt
in einem Forum diskutiert wird.

Wenn man sich die Rauheit eines Skibelags anschaut, muss man zwischen verschiedenen Längenskalen unterscheiden.
Während die Unebenheiten des Schliffs sich im Mikrometerbereich abspielen, rangiert der Flokati auf der Nanometerskala.
Das Wachs, welches unter Bügeleisen, IR oder Sonne im Belag verschwindet, bildet eine Mischung aus kurzkettigen
Paraffinen und langkettigem UHMWPE. Die Polymerfäden, die den Flokati ausmachen, haben eine Länge von ca. 200 nm. Diese
Länge kann man durch Bürsten variieren. Optimales Bürsten formiert den Flokati, während zu hartes oder zu langes
Bürsten die Polymerfäden verbrennt. Verbrennungen (Oxidationen) kommen natürlich auch durch Reibwärme, besonders
in der Nähe der Stahlkante oder durch das Lagern des Skis über den Sommer. Vergrauung ist ein Zeichen von minderwertigem UHMWPE.
Wir statten unsere Sportler mit Belägen von Perlatech aus, die keinerlei Vergrauung zeigen.
Wachs diffundiert in die Flokatischicht und wird in diese eingearbeitet (Bügeln, Bürsten). Es ist durchaus vorstellbar, dass
Reibung das Wachs lokal wieder verflüssigen kann und damit für kleinere Reibung sorgt.

Soweit erst einmal von mir.
Diese und viele andere spannende Fragen behandeln wir auf meiner Konferenz im Februar:
http://team-snowstorm.de/Snowstorm_Conferences.html
Scheut nicht, Euch anzumelden! Ich will die Praktiker dabei haben! Die Konferenzgebühr ist 100 € und
es gibt etwas zu essen!!
Also Ski Heil und ich hoffe, Euch in Ettlingen tzu treffen!
Matthias

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Re: Wachs oder kein Wachs – Das ist hier die Frage

Beitrag von NeusserGletscher » 24.01.2017 20:55

odenwälder hat geschrieben:Meine einfache Theorie zum verbrannten Belag: Wenn Ihr beim Wachsen den Belag "verbrennt", dann oxidiert das PE nicht etwa bis zum Holz (auch wenn PE leicht entzündlich ist), sondern ihr schmelzt den Belag auf. Wenn ihr mit dem Bügeleisen wieder weggeht, dann wird der Belag wieder fest - dummerweise nur einfach so, d.h. ohne die ganzen Tricks (z.B. Sintern, mechanische Behandlung), mit denen man versucht, die Wachsaufnahme zu verbessern. Die Folge ist, dass das PE mit einem sehr hohen Kristallinitätsanteil wieder fest wird und kaum mehr Wachs aufnehmen kann. Da hilft auch kein Skiservice mehr, da der ganze aufgeschmolzene Belag auskristallisiert ist - bis hinunter zum "Holz". Nanostrukturen, die die Wachsaufnahme unterstützen, sind ebenfalls futsch.
Ich liebe solche Theorien, mein ganzes Skifahren besteht nur auch Theorie :wink: Beim "großen Skiservice" wird der Belag ebenfalls aufgeschmolzen und frisches Material in die Furchen eingebracht. Demnach müsste ein Ski nach dem großen Service eine geringer Aufnahmefähigkeit für Wachs aufweisen, oder?. Bislang habe ich nicht darauf geachtet.
Was man selbst erledigt können andere nicht verkehrt machen.

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Re: Wachs oder kein Wachs – Das ist hier die Frage

Beitrag von TOM_NRW » 24.01.2017 21:50

Das der Belag gar keinen Wachs aufnimmt kann ich nicht sagen. Das 'Aufschmelzen' grds. nicht förderlich ist, wurde so auch schon von meinem Servicemann des Vertrauens bestätigt. Aus diesem Grund versucht er Schäden so klein wie möglich auszubessern, sprich nicht einfach eine grosse Ladung auf die ganze Fläche aufbringen und dann runterschleifen.

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Re: Wachs oder kein Wachs – Das ist hier die Frage

Beitrag von Pancho.Ski » 25.01.2017 07:56

Mr Snowstorm hat geschrieben:Die Polymerfäden, die den Flokati ausmachen, haben eine Länge von ca. 200 nm. Diese
Länge kann man durch Bürsten variieren. Optimales Bürsten formiert den Flokati, während zu hartes oder zu langes
Bürsten die Polymerfäden verbrennt.
Wie bürstet man denn nun optimal in der Praxis?

becks0815
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Re: Wachs oder kein Wachs – Das ist hier die Frage

Beitrag von becks0815 » 13.02.2017 15:34

Genau diese Frage hat mich auch hierher getrieben. Bürsten ist wichtig, bürsten ist gut - aber wie bürstet man denn richtig, und welche Bürste ist geeignet?

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Re: Wachs oder kein Wachs – Das ist hier die Frage

Beitrag von Pancho.Ski » 14.02.2017 13:05

Da schweigt die Fachwelt wohl leider. :cry:

becks0815
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Re: Wachs oder kein Wachs – Das ist hier die Frage

Beitrag von becks0815 » 15.02.2017 18:49

Yep, leider. Da können wir ja einfach auch den Thread kapern und eigene Tipps austauschen. :D

Vorrausgesetzt, die Infos von den Snowstorms stimmen, dann ist es wohl eher unerheblich, ob das Wachs nach dem Abkühlen nun eine Stunde auf dem Belag bleibt oder einen Tag, es dringt eh nicht ein. Der "PE-Faserteppich" dürfte eigentlich schon beim ersten Bügeln getränkt und gesättigt sein, und alles was die paar Nanometer an Wachsschicht übersteht ist eh für die Katz.

Dann fahre ich mit meineer Methode gar nicht so schlecht, bei der ich das meiste Wachs schon mit einem Stück Küchenpapier wegwische, bevor es hart wird. Es bleibt mehr als ausreichend Wachs zurück, um den Belag zu sättigen, aber man spart sich die Schaberei mit dem Plexiglasstück (aufwendig und ne ziemliche Sauerei).

Nach dem orddentlichen Abkühlen (ganzer Ski abgekühlt) gehe ich dann direkt mit der Nylonbürste drüber. Hier kam dann auch der Blog-Beitrag der Snowstorms auf, als ich im Netz herumgesucht habe, ob sich für so etwas auch eine Rotorbürtse für die Bohrmaschine eignen würde.

Nehmen wir einmal an, der Blog-Verantwortliche käme mit der Meldung zurück, dass man alternativ ausgiebig manuell oder mit wenig/kaum Druck und langsamer Drehzahl bei einer Rotorbürste zum besten Ergebnis kommen würde (zum thema Microstahlbürsten gabs nix bei Google), dann würde ich durchaus die 100 Euro für solch ein Set in Betracht ziehen, und abends dann meditatives Skibürsten vor dem Rechner durchführen.

Für alle, die meine Methode graust: Ich bin auf Skitour unterwegs. Die Latten sehen automatisch mitgenommen aus und ein detailverliebter Service wie man Pistenski angedeihen läßt, lohnt sich da nicht wirklich.

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Re: Wachs oder kein Wachs – Das ist hier die Frage

Beitrag von Pancho.Ski » 16.02.2017 09:30

Vor dem Wachsen Bürste ich den Belag mit der Kupferbürste zum Reinigen, ab und an mach ich ne gründlichere Reinigung in dem ich mit Grundwachs wachse und warm abziehe ("auswachsen")

Als Hauptwachs verwende ich nur noch leicht fluoriertes Universalwachs für alle Bedingungen. Ich wachse mit Fließ, daher habe ich eh nur einen relativ dünnen Wachsfilm auf dem Belag.

Danach auskühlen lassen, mit der Plexiklinge abziehen. Danach ganz grob mit der Kupferbürste drüber, anschließend mit der ultrafeinen Stahlbürste. Damit wird solange gebürstet, bis der Belag frei gelegt ist. wenn ich dann noch Lust habe, kommt die Rosshaarbürste zum Einsatz. Die ultrafafeine Stahlbürste macht die Sache sehr effektiv, da sie auch feine Belagstrukturen schnell frei legt.

Ich bürste bisher per Hand. Das ist nach einigem Herumexperimentieren der aktuelle Stand der Technik bei mir. Der direkte Vergleich mit Skifahrern meiner Gewichtsklasse beim Gleitwettbewerb auf meinen Lieblingsziehwegen fällt zufriedenstellend aus, :D die Haltbarkeit ist auch OK.

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