Natürlich möchte auch ich mal wieder meinen Senf dazugeben:
Ich habe erlebt, dass Menschen ganz unterschiedlich mit Kindern umgehen. Es gibt Skilehrer, die sind von ihrer Person her schon Vorbilder für die Kids und stets richtige Stimmungskanonen. Die meisten Kinder würden fast alles machen, um so zu sein wie diese und sind dadurch schon extrem motiviert, so zu fahren wie der Skilehrer. Wenn dieser einigermassen sinnvoll autritt und fährt, so ist die Sache oft schon weitgehend gegessen, die Kinder freuen sich und lernen, sodass sich die Eltern auch freuen...
Es sind aber nicht alle so und ich glaube, ich gehöre auch nicht unbedingt zu den "Reissern". Ich denke aber trotzdem, dass die meisten Kinder gerne zu mir in den Skiunterricht kommen und auch was lernen (oder ich hoffs zumindest...).
Im Allgemeinen lernen Kinder mehr durch kopieren als Erwachsene. Hintergründe interessieren sie meist weniger.
Gut funktionieren meist leicht überprüfbare Ziele wie "fahre so, dass man im Schnee nur zwei "Eisenbahnschienen" sieht" oder "fahre bis zum nächsten Baum genau 5 Kurven" oder "fahre genau in der gleichen Spur".
Oft funktioniert eine Zielvorgabe (zwei geschnitzte Spuren) besser als eine Bewegungsvorgabe (so weit in die Kurve lehnen, dass die Ski auf der Kante fahren), da Kinder häufig unbewusst richtige Bewegung machen und wir sie mit unserer Bewegungsidee eher irritieren.
Kinder reagieren unterschiedlich gut auf "Bilder" (z.B. Kisten heben). Ich glaube es ist ein Irrtum, dass Kinder auf solche Bilder besonders gut ansprechen. Es ist -wie bei den Erwachsenen - sehr unterschiedlich.
Oft mögen Kinder, wenn man sich "ernsthaft" mit der Materie beschäftigt, da sie sich dann ernst genommen fühlen. Natürlich hat das Spielerische einen hohen Stellenwert, aber ich finde es falsch, wenn man davon ausgeht, dass Kinder sich nur über das Spiel mit dem Skifahren beschäftigen mögen und können.
Aber zu Anna:
Beobachtungen:
- Anna steht "bombensicher" auf ihren Ski. Man hat nie das Gefühl, dass sie sich irgendwie unsicher fühlt oder etwas unkontrolliert ist.
- Das Tempo entspricht stets dem Können.
- Anna steht in einer sehr stabilen, zentralen Position. Sie ist bereits nicht mehr in der "kleinkindlichen Rücklagenposition", (welche offenbar auch von den noch offeneren Beckengelenkspfannen herrührt). Ihre Position entspricht weitgehend der eines erwachsenen, guten Skifahrers.
- Anna belastet beide Ski gleich.
- Der Körper begleitet die Drehrichtung der Ski, d.h. Hüfte und Oberkörper sind stets in Fahrtrichtung. Anfangs der Kurven ist ein ganz leichtes Andrehen zu sehen
- Es ist kaum ein beugen/strecken der Beine zu sehen.
- Sie fährt mit einer relativ breiten Skiführung
- Die Kurvenauslösung passiert rasch, die Steuerung ist stets länger, gerutscht, aber gesteuert, d.h. sie lässt die Ski laufen
Beurteilung:
- An der Position muss nichts geändert werden
- Das Tempo muss nicht geändert werden
- Das Gleichgewicht ist kein Problem für Anna. Gleichgewichtsübungen sind trotzdem immer gut, wenn man beim Skifahren noch weiter kommen will
- Die links-rechts-Skibelastung ist in Ordnung. Thema nicht ansprechen, es würde nur verwirren.
- Anna "macht" Kurven hauptsächlich mittels Drehen des Körpers, d.h. sie dreht, wenn sie eine Kurve anfangen will, den ganzen Körper in die gewünschte Fahrtrichtung und bewirkt so, dass die Ski um gekantet werden (
Entweder, sie hats in der CH gelernt oder Kinder machen es intuitiv so, was für die Methode sprechen würde
). Das ganze passiert sehr rasch, vermutlich weil der Hang steil ist und sie sonst zu lange in (fast-)fallinie wäre und zu schnell werden würde (->sehr vernünftig!). Durch die rasche Auslösung ist der Ski aber nicht auf der Kante.
- Anna könnte anfangen, mittels beugen/strecken die Ski mehr aufzukanten. Dann hätte sie die Möglichkeit, den Ski in der Schwungsteuerung mehr auf der Kante laufen zu lassen und würde weniger rutschen. Gerade in so steilen Hängen könnte sie das weiterbringen.
- Die breite Skiführung dient der Stabilität (Gleichgewicht). Trotzdem sind die Ski gut manövrierfähig. Hier hat Anna intuitiv die Breite gewählt, die für sie optimal ist: stabil, aber nicht blockierend. Thema nicht ansprechen, wäre allenfalls irritierend.
- Um die Kurve auf der Kante zu fahren (wenn man dies z.B. als nächstes Ziel wählen würde), müsste die Schwungauslösung länger/langsamer sein und in der Schwungsteuerung mehr aufgekantet werden.
Vermutlich funktionert das bei Anna in flacherem Gelände, da dort das Auslösen vermutlich geduldig genug ausgeführt wird (man wird nicht so schnell) und ein grösserer Aufkantwinkel nicht nötig ist, um in der Steuerung auf der Kante probieren.
Beratung:(d.h. was ich mit Anna machen würde, wenn sie bei mir Skiunterricht hätte)
Mögliche Ziele:
1) gecarvte Kurven in steileren Hängen (insofern es auf flacheren funktioniert, was ich annehme)
2) mit Kurzschwingen oder abseits der Piste fahren oder Funpark anfangen
Ich gehe auf Ziel 1) ein, weil dies eher Thema des Videos ist:
- flachere Hänge, sehen ob Anna hier intuitiv carvt und ob sie eine Vorstellung davon hat (frei fahren lassen)
- Spuren anschauen, Eisenbahnschienen fahren. Fragen,was sie macht, um "Eisenbahnschienen" zu schnitzen.
- Wenn nötig und angebracht (d.h. Interesse) Übungen wie "Flieger", "Schnee berühren", "Stehaufmännchen", zu zweit carven (Ring festhalten)
- steilere Hänge: Viel in meiner Spur fahren lassen. So erreiche ich mit der Zeit, dass die "runde" Form der Schwünge normal ist. Hinter einem anderen Skifahrer ist es auch eher normal, wenn man mal etwas schneller wird. Ist das Ziel, Spur zu fahren, werden Kinder die Auslösephase meist von selbst länger/geduldiger machen, also würde ich das Thema nicht erwähnen.
- höhrere Aufkantwinkel ende Kurve erkläre ich meist ganz banal mit "gehe ab der Fallinie (wenn dieser Begriff klar ist) langsam in die Knie. Fährt das Kind dann in meiner Spur, hat es die richtige Dosierung, um auf der Kante zu bleiben, bald von selbst raus.
Grundsätzlich denke ich bei Anna:
- Viel Spur fahren hinter guten Skifahrern (-> z.B. Leo) bringt auch dann viel, wenn man genau gar nichts dazu sagt (ausser eben, sie soll Spur fahren).
- Wenn sie Lust hat, weiterzukommen ("etwas zu lernen"), würde ich mit Kurzschwingen anfangen und ev. abseits der Piste oder Funpark fahren oder Slopestyle Tricks üben
- Man kann Anna wohl ohne Bedenken mit einer Kollegin allein in einem bekannten Skigebiet fahren lassen. Sie steht ausgezeichnet auf den Skis und zeigt auch die dazu notwendige Aufmerksamkeit und gute Selbsteinschätzung (soweit man das ab einem kurzen Video beurteilen kann).
- Das Allerwichtigste ist bei ihr wohl, dass sie die Freude am Skifahren behält, denn bei einem Kind, das schon so jung so gut fährt, wäre es doch schade, wenn es die Lust verlieren würde (was aber nicht heisst, dass sie nie das Snowboarden ausprobieren soll
)!