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Flex und Fahrstil

Verfasst: 30.01.2009 22:14
von john
Hallo Carvingexperten!
Auf die Gefahr hin, dass es jemand als eine Zumutung betrachtet, dass er sich neben den eigenen auch mit meinen Fuessen beschaeftigen soll, stelle ich ein detailiertes posting zum Thema Schuh ins Forum.

Letztens hatte ich ein Gespraech mit einem Bootfitter, der mir meinen jetzigen Schuh (Fischer RC4 130) anpasste (mit Schauemen). Da sich auf diesem Gebiet genauso viel wie bei der Skitechnik die Geister zu scheiden scheinen, waere ich fuer euere Meinungen zum Thema Flex sehr dankbar, bevor ich allzu viel moeglicherweise endgueltig aendern lasse.
Verwirrt hat mich naemlich seine Reaktion, als ich erwaehnte, dass ich den seitlich Halt mag, aber etwas weiter nach vorne muesste, womoeglich durch mehr Flex. Hierzu beriet er:
Man solle nicht zu sehr nach vorne, sondern zentral bleiben. Eigentlich wolle man Druck nach vorne über den Schuh aufbauen, da helfe ein weicher Flex nicht, da ein solcher Flex ein 'leerer' sei. Mit einem weichen Flex oder mit lockeren Schuhen habe man zwar eine groessere Bewegung nach vorne, aber keinen großen Vorteil davon. Wenn ich keinen Druck auf die Schaufel bringe, passiere dies möglicherweise, weil ich nicht genug halt vom Schuh bekomme. Ein harter Flex bringe mehr Druck auf die Schaufel.

Das widerspricht nun meinem theoretischen Veständnis des Skifahrens, und teilweise meiner Erfahrung - zur Theorie: die Ski, die ich meistens fahre, Edelwiser (Swing, Speed), Fischer (RC4 SC), wollen alle über die Schaufeln gefahren werden. Am Schwungende ist man zwangsläufig etwas hinten, man schaukelt beim Schwungwechsel nach vorne. Und wie kriegt man Druck auf die Schaufel, wenn man sich nicht moeglichst weit in die Richtung bringt? Zur Praxis: wenn ich den Schuh so geschnallt habe, dass ich einen guten seitlichen Halt habe und der Ski schön reagiert, bin ich blockiert in meinen Bewegungen nach vorne, obwohl der Flex des Schuhs theoretisch (nach dem Bootfitter) gleich bleibt. Fahre ich mit lockeren Schuhen, schlottert's mir zuviel im Schuh, und der Ski hinkt mir beim Kippen etwas nach. Also ist es nach meinem Empfinden so, dass der Schuh fest genug zugemacht gehört, aber etwas mehr Flex bräuchte. Ich habe auch das Gefühl, aber das koennen natuerlich nur die wenigen, die mich fahren gesehen haben, beurteilen, dass ich bei der Schaufelbelastung blockiert bin und folglich mit krummem Rücken 'schummele'. (Ich schließe aber nicht aus, dass das nicht am Schuh liegt, sondern psychologische oder gewohnheitsbedingte Ursachen hat .)

Fest steht fuer mich, dass im Idealfall der Schuh sich an meiner (beabsichtigten) Technik orientiere sollte, und nicht anders rum - da der Techniker einserseits sein Handwerk kennt, andererseits meine Beduerfnisse anscheinend nicht anerkennt, wuerde ich gern moeglichst gut informiert sein, bevor ich allzu viele Aenderungen verlange. Ich schliesse ja nicht aus, dass ich eine voellig falsche Vorstellung von dem fahrtechnischen Ablauf habe - daher dieses lange posting.

Danke,
john.

Re: Flex und Fahrstil

Verfasst: 31.01.2009 11:48
von Uwe
Hallo John,

wenn ich dich richtig verstehe, hast den dir den Schuh bereits Schäumen lassen, bist ihn aber noch nicht gefahren, denkst aber schon über Änderungen nach? Warum? Fahr den Schuh doch erstmal.

Grundsätzlich hat dein Bootfitter recht.
Du kannst nur Druck NACH VORNE aufbauen, wenn du gegen einen (nach vorne gerichteten, bzw. gegengerichteten) Widerstand drückst. Anders rum gesagt: Wenn du barfuß stehst und dein Sprunggelenk locker ist (ohne Muskelspannung), bringst du nur Druck nach unten hin, bzw. max. auf die Fußzehen (nach unten) , aber nicht nach weiter vorne.

Freerideschuhe haben einen relativ weichen Flex, da dort die Beweglichkeit im Fußgelenk (zur Justierung der Körperposition) wichtig ist. Pisten-/Rennschuhe (wie deiner) haben einen relativ harten Flex, damit du auch Druck auf Schaufel / Heck aufbauen kannst.

Allerdings hast auch du Recht, dass ein "zu harten" Flex nicht deine Bewegungen behindern sollte, aber was ist "zu hart"?
Fahr erstmal den Schuh, erst dann merkst du, ob du Probleme damit hast.
Die Härte des Flex kannst du selbst etwas variieren, inden du die untere Schnalle am Schaft (also die 2. von oben) mal fester oder lockerer machst. Je fester, desto härter der Flex des Schaftes, je lockerer ...

Re: Flex und Fahrstil

Verfasst: 31.01.2009 12:06
von TEE
Uwe hat geschrieben:Freerideschuhe haben einen relativ weichen Flex, da dort die Beweglichkeit im Fußgelenk (zur Justierung der Körperposition) wichtig ist. Pisten-/Rennschuhe (wie deiner) haben einen relativ harten Flex, damit du auch Druck auf Schaufel / Heck aufbauen kannst.

Allerdings hast auch du Recht, dass ein "zu harten" Flex nicht deine Bewegungen behindern sollte, aber was ist "zu hart"?
Fahr erstmal den Schuh, erst dann merkst du, ob du Probleme damit hast.
Die Härte des Flex kannst du selbst etwas variieren, inden du die untere Schnalle am Schaft (also die 2. von oben) mal fester oder lockerer machst. Je fester, desto härter der Flex des Schaftes, je lockerer ...
...der flex ist ja nicht alles, ich persönlich habe gerne einen schuh, der mich weit vor lässt und dann gnadenlos druck aufbaut. aktuell wird mir gerade beim leitner ein krypron pro (ähnlich dem alten raichle prinzip) angepasst. der meines erachtens genau das bietet (der leitner ist übrigens der gleichen meinung wie der fitter vom john). ich persönlich sehe das etwas anders - aber ich werde meine meinung posten, sobald ich ihn gefahren bin.

uwe, über die schnallen kannst du den "flex" aber eigentlich nicht verändern. da wird der schuh enger, aber nicht härter.

Re: Flex und Fahrstil

Verfasst: 31.01.2009 12:35
von Uwe
TEE hat geschrieben: uwe, über die schnallen kannst du den "flex" aber eigentlich nicht verändern. da wird der schuh enger, aber nicht härter.
Jein ... klar enger, aber bei DIESER Schnalle (und dieser Schuhkonstruktion (im Gegensatz zu Schuhen mit durchgehender, außen liegender Zunge, wie z.B. Raichle)) auch flexvariierend.
Je enger die Röhre (der Schaft), desto härter ... probier's mal aus:
2. Schnalle ganz zu = enge, feste, harte Röhre = harter Flex ... dann
2. Schnalle ganz auf ... und schon hat das Material im Gelenk weniger Widerstand = mehr "Bewegungsspielraum" = weicherer Flex.

Re: Flex und Fahrstil

Verfasst: 31.01.2009 13:12
von john
Danke fuer die Antworten.

Sorry Uwe, da habe ich die Situation ein bisschen unklar geschildert - ich hatte 'letztens' das Gespraech mit dem Fitter, nachdem ich nach ungefaehr 35 Skitagen mich in meiner Bewegung nach vorne blockiert fuelle.

Ich bekam letzte Saison den Rat von Nicola, den Schuh ganz locker zu tragen, um mehr Druck auf die Schaufel zu bekommen - ich war also ein wenig verbluefft, als der Fitter meinte, ich braeuchte wohl weniger Flex. Wenn er sagt, der Schuh sollte zum Carven auf der Piste eng sitzen, habe ich den Verdacht, Geld weggeschmissen zu haben: Kann ich den Schuh nicht so tragen, wie vom Fitter konzipiert, habe ich eigentlich einen angepassten Schuh, der gar nicht passt. Man muesste m.E. nicht mit einem angepassten Schuh wie mit einem von der Stange mit lockeren Schnallen improvisieren. Daher bin ich im unklaren darueber, ob entweder der Flex zu hart ist oder ob das Konzept des Schuhs den beabsichtigen Bewegungsablauf einfach nicht zulaesst. Nach meinem Verstaendnis muesste sich der Schaft mit dem Schienbein bewegen - und das hatte mir der Fitter urspruenglich versichert: die Haerte der Schale habe nichts mit der Beweglichkeit des Schafts zu tun.

Ich denke auch an einen Dreiteiler, wie ihn Thomas beschreibt, aber da ich schon einiges an Geld und Zeit in den Fischer investiert habe, und ausserdem zum ersten Mal einen Schuh habe, der fast wie eine zweite Haut passt, moechte ich im Idealfall nicht gleich auf einen neuen umsteigen. Der Sinn des postings ist es also, zu eruieren, ob ich eine falsche Vorstellung vom Skifahren habe und mich auf den Rat des Fitters verlassen sollte - oder ob ich zu einem anderen gehen muesste. Mit den Aenderungen geht kein geringer finanzieller Aufwand einher (lange Reisen, mehrere Naechte im Skigebiet verbringen, wobei er im Voraus natuerlich nicht sagen kann, wie lange er fuer etwaige Aenderungen braeuchte), also sammele ich gern alle Meinungen zu diesem Thema!

@Thomas: Heisst das, Leitner lehnt das Dreiteiler-Konzept ab, fuehrt die Schuhe trotzdem?

Re: Flex und Fahrstil

Verfasst: 31.01.2009 13:59
von Uwe
Hallo John,

also grundsätzlich sollte der Schuh zu DIR passen ... Ausnahmen bestätigen die Regel.

Aber ich hatte - zumindest vom Gefühl her - ein ähnliches Problem wie du.
Ich habe den MX9 und hatte auch immer das Gefühl, der Flex sei zu hart. Beim MX9 ist es - im Gegensatz zu deinem Schuh - so, dass der Schaft NICHT HINTEN fest mit der Schale verbunden ist, sondern über das Gelenk (über die Schrauben links und rechts am Sprunggelenk) etwas beweglich ist. In der Praxis bedeutet das, dass der Flex 1-2 cm erstmal SEHR weich ist (weil er frei über das Gelenk kommt), und DANN plötzlich "sehr hart" wird (weil 2 Laschen hinten im Schaft den "freien Flex" begrenzen. Dies dürfte bei deinem Schuh aber nicht der Fall sein). Dadurch bekam ich erstmal kaum Druck (über den Schaft) auf die Schaufel, dann aber fast zu viel. Weiter hat das plötzliche Einsetzen des harten Flexes auch leichte Schmerzen am Schienbein verursacht. Wie gesagt ... ich hatte immer den Eindruck, dass der Ski "zu hart" ist, weil ich den "freien Flex" der ersten cm nicht als Widerstand gespürt hatte.
Dann habe ich mich mal in meinen alten Lange gestellt und war überrascht, dass dieser ja "härter" ist. Letztendlich war er aber nicht härter, sondern hatte nur diesen "freien Flex" nicht, wodurch ich ihn als direkt einen Widerstand gespürt hatte (den ich auch wollte).

Also ich beim CAMP wieder zum Leitner und ihm das erklärt. Dann hat er den Schaft einfach durch je 2 Schrauben hinten mit der Schale fixiert ... und siehe da ... PERFEKT!
Nun spüre ich direkt einen Widerstand, und kann so perfekt den Druck nach vorne kontrollieren :D ... das ist nun ein ganz anderer Schuh, ein ganz anderes Fahrverhalten / Skikontrolle.

Aber natürlich sollte der Flex nicht so hart sein, dass er dich behindert.

Deshalb probiere mal dieses Flex-Variieren mit der 2. Schnalle aus; also oben ganz zu, dass du perfekten Seitenhalt / Kontakt mit deinem Schienbein hast, aber die 2. Schnalle von oben, mal mehr, mal weniger zu. Probier auch mal das Klettband oben nicht ÜBER dem Kunststoff zu zu machen, sondern darunter, also nur um den Innenschuh (damit der Innenschuh wirklich perfekt den Unterschenkel umschließt).

Aber nochmal zur Druck-Theorie: Je weicher der Flex (bis hin zum geöffneten Schuh), desto weniger Druck bekommst du nach vorne. Das hat was mit Kraftvektoren zu tun; nur wenn du Kraft nach vorne (gegen einen Widerstand) ausübst, wirkt diese auch. Je weniger Widerstand, desto geringer wirkt die Kraft ... die Physiker hier können das bestimmt genauer erklären.

Re: Flex und Fahrstil

Verfasst: 31.01.2009 17:43
von TEE
@ john: nein, der leitner führt so was nicht. ich bringe nur meine schuhe zu ihm, damit er sie mir anpasst :P. ich glaube, nicht dass du deine schuhe wegwerfen musst, die sind schon sehr gut :wink:.

@ uwe: wenn du die schnalle weiter zu machst, wird die sache möglicherweise direkter, aber warum soll sich denn der flex vom schuh ändern?

Re: Flex und Fahrstil

Verfasst: 31.01.2009 18:22
von Uwe
TEE hat geschrieben:@ uwe: wenn du die schnalle weiter zu machst, wird die sache möglicherweise direkter, aber warum soll sich denn der flex vom schuh ändern?
Der Flex ist ja quasi die "Biegesteifigkeit" des Schaftes gegen die Schale, wobei die vordere Unterseite des Schaftes auf dem Rist der Schale "entlanggleited" (die Steifigkeit des Materials selbst mal außen vor gelassen). Und wenn der untere Teil des Schaftes "lockerer" (Schnalle offen) ist, ist da weniger Widerstand, und das Material (die Röhre) kann sich leichter verformen, wodurch der Flex also weicher ist. In einer weiten Hose kann man sich ja auch leichter Bücken, als in einer hautengen :D

Re: Flex und Fahrstil

Verfasst: 31.01.2009 18:51
von TEE
Uwe hat geschrieben:
TEE hat geschrieben:@ uwe: wenn du die schnalle weiter zu machst, wird die sache möglicherweise direkter, aber warum soll sich denn der flex vom schuh ändern?
Der Flex ist ja quasi die "Biegesteifigkeit" des Schaftes gegen die Schale, wobei die vordere Unterseite des Schaftes auf dem Rist der Schale "entlanggleited" (die Steifigkeit des Materials selbst mal außen vor gelassen). Und wenn der untere Teil des Schaftes "lockerer" (Schnalle offen) ist, ist da weniger Widerstand, und das Material (die Röhre) kann sich leichter verformen, wodurch der Flex also weicher ist. In einer weiten Hose kann man sich ja auch leichter Bücken, als in einer hautengen :D
...das stimmt natürlich. aber glaubst du, dass das so viel ausmacht? natürlich davon ausgehend, dass john die schnalle bereits zu hat und jetzt noch fester zu machen soll? außerdem nimmt das ja wieder die beweglichkeit die john sucht. john hat wie ich mich erinnere vom leitner das topmodell (den ganz gelben) und das ist letztlich vielleicht nicht ganz der ideale schuh für ihn...
die lösung hoffe ich in meinem neuen schuh (dalbello krypton pro) zu finden. das konzept scheint mir (für mich) das beste zu sein. flex relativ weich und die harte zunge rein - aber ich werde berichten :D

Re: Flex und Fahrstil

Verfasst: 31.01.2009 20:58
von finnskier
Uwe hat geschrieben:Also ich beim CAMP wieder zum Leitner und ihm das erklärt. Dann hat er den Schaft einfach durch je 2 Schrauben hinten mit der Schale fixiert ... und siehe da ... PERFEKT!
Nun spüre ich direkt einen Widerstand, und kann so perfekt den Druck nach vorne kontrollieren :D ... das ist nun ein ganz anderer Schuh, ein ganz anderes Fahrverhalten / Skikontrolle.
Hallo Uwe

Ich habe änliche probleme mit meine Nordica Beast 10 (mit viel anpassung wegen meine vorderfussbreite). Wie hat Leitner die 2 schrauben je schuch plaziert? Oben am schalenrand horizontell, unten am schaftrand horizontell oder in der mitte obeneinander vertikal? Ich muss unbedingt etwas in dieselbe richtung probieren. Kannst du etwas mehr darueber erzählen?

Gruess

Paul aus Finnland